Soundtrack zur Tarifrunde: „Radio Rebelde“ von The Baboon Show

Sprach das Volk zu den Dieben

Von Ken Merten

The Baboon Show: Radio Rebelde, Kidnap Music 2018, CD: 14,99 Euro /Download: 9,99 Euro/Vinyl: 17,99 Euro

Andere Länder, andere Gegenkulturen. Zumindest machen die SchwedInnen von „The Baboon Show“ den Eindruck, als ob Punkrock und Arbeiterlied noch vereinbar sind. Während hierzulande die Scheu davor, dreiteilige Akkordfolgen noch mit Texten zum Thema Klassenausbeutung zu überlagern, länger schon in regelrechten Ekel vorm malochenden Subjekt und seinen Nöten umgeschlagen ist. Nicht dass der hiesige Punkrock etwa sagt: Nur Agitprop, das ist der Kunst zu wenig, wir wollen tiefer vermitteln! Nee, eher zeugen Fahrstuhlmusiken wie „An Tagen wie diesen“ (Tote Hosen) davon, dass man nach hinten-rechts vom Pferd gefallen ist, rein in ein wohliges Bällebad aus Eskapismus und Akzeptanz des Bestehenden.

Vergangenen Dezember war das Quartett aus Stockholm übrigens Einheizer für die Düsseldorfer „CDU-Punks“ (zitiert nach irgendeinem der vielen, die sie so nennen, man suche es sich aus). Das Unangenehme, Campino und Co. bei ihrer Abschiedstour vom Anti-Establishment zuzuhören, ist ein komplett gegenteiliges, als das Unangenehme, das man fühlt, wenn man die neue Baboon Show, „Radio Rebelde“, hört. Denn das ist mit Punk- und Hardrock-unterstrichenem Liedgut zum Arbeitskampf so satt, dass man gar nicht weiß, wohin mit soviel Klarheit im sonst so politophoben Einheitsbrei gewöhnten Ohr.

Das mittlerweile achte Album der 2003 gegründeten Band, für die – sagt der Name – bürgerliche Politik ein Affenzirkus ist, zeugt von ihrer Beständigkeit. „You Got a Problem Without Knowing it“ vom 2010er-Album „Punk Rock Harbour“ hat man vielleicht schon mal gehört, auch das Mitgröhl-Animationslied „Heidi Heidi Ho Ho“ („Pep Talk“, 2006). Vergessen darf man aber nicht die wiederkehrenden Tribute an und für die Klasse. Da gibt es Lieder über die, die in den Klassenkrieg hineingeboren sind („Class War“ in: The World is Bigger Than You“, 2016) und welche gegen bürgerliche Geschichtsschreibung („History“ in: „Damnation“, 2014) und und und.

„Radio Rebelde“ nimmt sich da nicht aus. Vielmehr fühlt man sich an die aktuellen Arbeitskämpfe um mehr Freizeit erinnert. „Holiday“ sagt aus: „Close to the heart attack“ darf gern der Chef jobben, aber ich gönn mir Urlaub! So selbstbewusste Rückermächtigung führt dann auch dazu, dass man woanders Bob Dylan („All Along the Watchtower“) paraphrasiert: „There must be some way out of here/said the people to the thieves“.

Alles in treibendem Rock gehalten, in Portionen begleitet von Orgel und Piano. Den Gesang von Frontfrau Cecillia Boström kann man rotzig nennen, aber hauptsächlich, weil man – wie sie im Titeltrack – das R auch so schön rollen will.

Schmankerl ist „Same Old Story“, wenn man mag, die Vertonung des Manifests von Marx und Engels. Kurz zusammengefasst: Es gibt Arbeit und Arbeitslosigkeit und an beidem verdienen in guten wie in schlechten Zeiten die privilegierten Wenigen. Also sehen die nichtprivilegierten Vielen rot, „to rewrite our history/to put an end to the slavery“. Eine Hymne gegen das Arrangement mit dem Kapitalismus, so integrativ sich der beim Diebstahl auch gebärdet. Hat man sich an diesen musikalischen Wahrsprech erstmal gewöhnt, skippt man die „Hosen“ einfach weg und hört „The Baboon Show“. Wer sich selbst davon überzeugen möchte: Am 25. Mai supporten Letztere wieder Erstere in Essen.

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Über den Autor

Ken Merten (seit 1990) stammt aus Sachsen. Er hat in Dresden, Hildesheim und Havanna studiert. Seine Schwerpunkte sind die Literatur der Jetztzeit, Popkultur und Fragen von Klassenkampf und Ästhetik. 2024 erschien sein Debütroman „Ich glaube jetzt, dass das die Lösung ist“ im Berliner XS-Verlag.

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"Sprach das Volk zu den Dieben", UZ vom 20. April 2018



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