Die Kanzlerwahl ging nicht glatt. Das lag möglicherweise daran, dass dem ein oder anderen der Durchmarsch der Stahlhelm-Fraktion, die seit der Bundestagswahl das Sagen in den sogenannten „Volksparteien“ CDU/CSU und SPD hat, zu schnell geht.
Die Regierung soll vom einstigen BlackRock-Lobbyisten und heutigen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz angeführt werden. Merz leitete bis 2019 zehn Jahre lang die „Atlantik-Brücke“. Das 1952 gegründete elitäre Netzwerk prägte das Selbstverständnis des deutschen Imperialismus im Windschatten des „großen Bruders“ USA – und organisiert die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Strategie. Zu den handverlesenen Mitgliedern der Regierung zählen neben Politikern auch Meinungsmacher. So einer ist der neue Regierungssprecher Stefan Kornelius. Er leitet seit 20 Jahren das Ressort Außenpolitik der „Süddeutschen Zeitung“, ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), der Bundesakademie für Sicherheitspolitik – und natürlich der „Atlantik-Brücke“.
Nach Merz übernahm Sigmar Gabriel (SPD) den Vorsitz des Think-Tanks. Öffentlich äußert er sich vor allem zu Fragen der Strategie, die angesichts der zwischenimperialistischen Widersprüche und aufgrund der Außenhandelspolitik von Donald Trump für den deutschen Imperialismus zu lösen sind. Auffallend ist, dass wegen des geringer werdenden Spielraums, den der Aufstieg des „systemischen Rivalen“ China den Imperialisten – auch den deutschen – lässt, kaum Unterschiede zwischen verschiedenen Teilen des Kapitals und ihren politischen Vertretern zu erkennen sind. Die dadurch entstehende Einigkeit drückt sich auch im Spitzenpersonal der Koalitionsparteien aus.
Der neue Vizekanzler, der ehemalige SPD-Generalsekretär und -Vorsitzende Lars Klingbeil, steht nah an den außenpolitischen Positionen seines Kanzlers Merz. Klingbeil fing in jungen Jahren ebenso wie Gabriel in der SPD-Linken an, doch wechselte er die Interessen, die er vertritt, mit dem Weg in die Führung. Lange vor der „Zeitenwende“ gehörte er den Präsidien der „Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik“ und des „Förderkreises Deutsches Heer“ an. Schon damals forderte er mehr Aufrüstung.
Sein Putsch gegen den bisherigen SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich noch am Abend der Bundestagswahlen hat die Zweifler in der SPD-Fraktion in Sachen Waffenlieferungen und Kriegseskalation enthauptet. Wenn Klingbeil den Fraktionsvorsitz nun in die Hand von Matthias Miersch gibt, um selber in die Regierung einzutreten, wechselt er damit formell wieder einen „SPD-Linken“ ein. Allerdings wurde Miersch erst nach der „Zeitenwende“ und damit in Anerkennung des Kriegskurses in Amt und Würden gehievt – und zwar von Klingbeil selber, dem die „neue deutsche Führungsrolle“ sehr am Herzen liegt.
Nach dem Auftritt von Boris Pistorius im ersten Akt (Ampel) nun der Auftritt Klingbeils im zweiten Akt (GroKo) des Dramas, in dem die SPD die Steigbügel des deutschen Imperialismus hält. Das Personal der neuen Regierung aus CDU/CSU und SPD steht in Kontinuität der Zeitenwendepolitik, deren Milliardenaufrüstung lange vorbereitet war. Denn das Programm heißt seit über zehn Jahren „Neue Macht. Neue Verantwortung“.
80 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus durch die Anti-Hitler-Koalition, an der die Rote Armee den größten Anteil hatte, wird zur Verteidigung der Ukraine zum Angriff auf Russland gerüstet. Dabei fiebert das Abo-Publikum gebannt mit: 84 Prozent der digital abstimmenden SPD-Mitglieder haben für den Eintritt in die Kriegsregierung gestimmt.