Rede von Ralph Urban (IPPNW) zum Aktionstag der Friedensbewegung am 1. Oktober 2022 in Hamburg

Tödliche Gefahr

Ralph Urban

Wir befinden uns schon lange in einer Eskalationsspirale, deren Ende nicht absehbar ist. In diesen Tagen erleben wir weitere Schritte dieser Eskalation. Mit jedem Tag nimmt die Unversöhnlichkeit zu, die Fronten verhärten sich mehr und mehr. Und mit jedem Tag wächst das Risiko, dass sich der Krieg auf andere Staaten ausweitet oder vielleicht bis zum Atomkrieg eskaliert. Die IPPNW sieht jetzt die Notwendigkeit für einen Waffenstillstand und Verhandlung (…)

Wir in Deutschland dürfen uns nicht damit zufriedengeben, dass unsere Außenministerin Friedensgespräche mit dem russischen Präsidenten einfach ausschließt und auf einen militärischen Sieg der Ukraine setzt, statt zu einer Verhandlungslösung beizutragen! (…)

Im Falle einer Eskalation könnten NATO-Einrichtungen in Deutschland und hier stationierte US-Kernwaffen früh zu möglichen Zielen werden. Was wären die Folgen einer Atombombenexplosion in Hamburg? Atombomben haben ein extremes Zerstörungspotenzial. Bei der Explosion entstehen Temperaturen, die doppelt so heiß sind wie die der Sonne. Die radioaktive Strahlung führt zum raschen Tod oder durch den Fallout über Jahrzehnte zu Krebserkrankungen, Fehlgeburten, Missbildungen oder genetischen Schäden. Davon ist das ganze Ökosystem betroffen.

Bei der Detonation einer Atombombe mit durchschnittlicher Sprengkraft von 100 Kilotonnen über dem Hamburger Hauptbahnhof würden 111.000 Menschen sofort umkommen. Im Zentrum entstünde ein Feuerball mit einem Radius von 380 Metern, in dem alles verglüht. In diesem Bereich liegen die Einkaufszonen der Mönckeberg- und der Spitalerstraße, die Kunsthalle, das Schauspielhaus und vieles mehr.

Die Explosion würde eine gewaltige Druckwelle erzeugen. Sie würde zum unmittelbaren Tod führen oder Verletzungen an Lungen, Ohren und inneren Organen verursachen. In einem Radius von über drei Kilometern käme es zum Einsturz der meisten Gebäude und zu nachfolgenden Bränden. Jeder Mensch in dieser Zone würde verletzt, viele würden sterben. Betroffen wären das Marienkrankenhaus, die Kliniken St. Georg und Fleetinsel Hamburg sowie das Krankenhaus Jerusalem.

Durch die Hitzewelle würden die Menschen bis zu einer Entfernung von 4,4 Kilometern schwere, oft tödliche Verbrennungen erleiden. In dieser Zone liegen drei weitere Kliniken.

Es wäre mit 370.000 Verletzten zu rechnen, aber ein Fünftel aller Krankenhäuser wäre zerstört, es würden nur noch etwa 10.000 Krankenhausbetten zur Verfügung stehen – für 370.000 Verletzte. Ein großer Teil des Gesundheitspersonals wäre tot oder verletzt. Die meisten Bombenopfer blieben sich selbst überlassen.

Wir Ärztinnen und Ärzte werden euch nicht helfen können!

Ein regionaler Atomkrieg, in dem 100 Atomwaffen eingesetzt würden, hätte – zusätzlich zu den eben geschilderten Folgen – weltweit katastrophale Auswirkungen auf das Klima und die Landwirtschaft. Massen an Ruß würden in die Atmosphäre befördert. Sie würden den Planeten in kurzer Zeit abkühlen und Milliarden von Menschen wären von Hungersnöten bedroht. Der Einsatz von 1.000 Atombomben würde unseren Planeten unbewohnbar machen. Derzeit gibt es weltweit knapp 13.000 Atomsprengköpfe. Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf nie geführt werden!

Die Rede wurde von uns gekürzt und redaktionell bearbeitet.

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"Tödliche Gefahr", UZ vom 4. August 2023



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