Das Duale Ausbildungssystem

Top oder Flop?

Von Florian Hainrich

Über das duale Ausbildungssystem (also die Kombination aus Berufs­schulunterricht und praktischer Teil im Betrieb) in der Bundesrepublik wird viel geschrieben, Angela Merkel gab bei verschiedenen Gelegenheiten zu Protokoll, dass dieses ein Vorbild weltweit sei.

Das lässt aufhorchen und macht erstmal skeptisch, was gefällt den Banken und Konzernen, deren Interessen Frau Merkel vertritt an der dualen Ausbildung? Einerseits ist es mit ihr möglich, die Ware Arbeitskraft passgenau mit Qualifikationen auszustatten die dann für die spätere Ausbeutung benötigt werden. Hierbei ist die Kombination von Berufsschule und praktischer Ausbildung im Betrieb für gewisse Tätigkeiten offensichtlich wesentlich produktiver als eine nur theoretische Ausbildung z. B. an einer Hochschule. Zusätzlich werden betriebliche Abläufe erlernt, die eine spätere Eingewöhnung ebenfalls beschleunigen. Gleichzeitig kann die Ausbeutung aber auch schon während der Ausbildung beginnen, das ist insbesondere attraktiv wenn Auszubildende möglichst wenig Ausbildungsvergütung erhalten und Kontrolle der Rahmenpläne nicht so genau genommen wird, z. B. im Handwerk, der Gastronomie, im Handel etc.

Also alles Mist?

So einfach ist es dann nun wieder auch nicht, denn aus Sicht der Lohnabhängigen sind auch folgende Aspekte zu berücksichtigen: Die duale Ausbildung sorgt dafür, dass die Konzerne die Kosten für die Ausbildung ihrer Arbeitskräfte nicht komplett auf den Staat abschieben können, sie macht es möglich, dass die Auszubildenden in ökonomische Klassenkämpfe der Belegschaften mit einbezogen werden können. Das gilt für die Höhe der Ausbildungsvergütung, die Arbeitszeit und vieles mehr. So ist es möglich, mindestens in einigen Branchen Ausbildungsvergütungen durchzusetzen die wesentlich über jenen Leistungen liegen die bei einer theoretischen Ausbildung z. B. an einer Hochschule momentaner Stand sind. Beispiele sind hier die Metall- und Elektroindustrie, der öffentliche Dienst etc. Außerdem entsteht durch die duale Ausbildung die Forderung nach der Übernahme, welche ebenfalls Teil von betrieblichen und tariflichen Auseinandersetzung wird. Häufig ist die unbefristete Übernahme ohne wenn und aber möglich, obwohl ein ganzer Korb voller Schlupflöcher für die Konzerne da ist. Trotzdem ist ein riesiger Unterschied im Vergleich zur Situation der einzelnen Bewerbung nach einer theoretischen Ausbildung da.

Das was die Kapitalseite an Änderungen im Ausbildungssystem umsetzt, sogenannte schulische Ausbildungen, in denen der schulische Teil überwiegt, die Praxis in Form von unbezahlten Praktika erbracht wird, bietet all diese Möglichkeiten nicht. Stattdessen sind die Arbeitskräfte nun kostenlos, gemeinsamer Kampf mit den Belegschaften wird massiv erschwert und die Auszubildenden (hier Schüler genannt) müssen sich durch Nebenjobs oder Schüler-Bafög finanzieren.

Diese Alternativen zur dualen Ausbildung sind also abzulehnen und zu bekämpfen, ebenso zu bekämpfen sind aber auch die Zustände in vielen dualen Ausbildungen. Mehr und mehr Berufsschulen werden geschlossen und zentralisiert, was hohe Kosten für die Auszubildenden nach sich zieht, gleichzeitig ist die Unterichtsqualität häufig unterirdisch. Vergütungen liegen weiterhin in vielen Berufen so niedrig, dass ein eigenständiges Leben faktisch nicht möglich ist, Ausbildungsfremde Tätigkeiten sind eher Regel als Ausnahme, Überstunden und Unsicherheit wie es nach der Ausbildung weitergeht sind Alltag. Gegen diese Schweinereien gemeinsam und solidarischen Widerstand zu entwickeln, könnte dafür sorgen, dass die Banken und Konzerne das System vielleicht nicht mehr ganz so klasse finden, wir dagegen können nur so unsere Rechte erkämpfen.

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"Top oder Flop?", UZ vom 26. Mai 2017



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