Dieselfahrverbote bringen mehr Probleme, als sie lösen

Umweltfreundlich?

Von Andreas Grimm

Seit dem 1. Januar gilt in Stuttgart das Fahrverbot für Euro-4-Diesel. Der Schadstoffausstoß soll gesenkt und die EU-Richtwerte eingehalten werden. Allein in Stuttgart sind 190 000 Fahrzeuge betroffen. Umweltschutzverbände gehen davon aus, dass dies nicht gelingen wird. Dann könnte das Verbot ab 2020 auf Euro-5-Fahrzeuge ausgeweitet werden. Ausgenommen vom Verbot sind Fahrzeuge von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten sowie gewerbliche Kraftwagen, zum Beispiel Taxis und Zulieferer. Bis jetzt liegen zudem noch 3 663 Ausnahmeanträge vor.

Stuttgart gehört zu den Städten, in denen am offensichtlichsten der Verkehr verbessert werden muss. Stau, Parkplatzmangel, unzureichende Radwege auf der einen Seite und ein teurer, unzureichender Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) auf der anderen zeigen dies. Nicht zuletzt die Belastung durch Feinstaub und Abgase sind Ausdruck einer auf den individuellen Autoverkehr ausgerichteten Verkehrskonzeption. Kein Wunder in einer Region, in der die Bosse großer Autokonzerne (Daimler und Porsche) das Sagen haben. Vom Dieselverbot sind hauptsächlich Privatpersonen betroffen, besonders ärmere Menschen, die ältere Autos fahren.

Den betroffenen Dieselbesitzern wird nun nahegelegt, sich ein neues, umweltfreundlicheres Fahrzeug zuzulegen oder auf eigene Kosten den alten Diesel nachzurüsten. Beides kommt der Autoindustrie zugute. Diese verdient an der scheinbaren Schadensbegrenzung als auch am Schaden, den sie selbst – zum Beispiel durch Betrugssoftware – verursacht hat. Die Krux dabei ist, dass durch die Produktion von noch mehr Autos die Schadstoffwerte senken sollen. Stattdessen werden erst ein paar Jahre alte Autos frühzeitig verschrottet und so noch mehr Schadstoffe produziert und Rohstoffe unnötig verbraucht. Autos mit Euro-5-Standard werden erst seit 2011 produziert.

Die Bundesregierung stellt im Rahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft“ 1,5 Milliarden Euro den Kommunen zur Verfügung. Diese sollen vor allem für die Förderung der Elektromobilität eingesetzt werden. Der Umstieg auf Elektro-Autos ist jedoch auch nur eine Scheinlösung, da das Fahren, aber nicht das Aufladen umweltfreundlich ist, solange der Strom immer noch zu 40 Prozent aus Kohle und nur zu 33 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen wird. Durch Bremsen und Reifenabrieb entsteht auch bei Elektroautos Feinstaub. Dazu kommen die Umweltverschmutzungen durch die Herstellung der Batterien. Die Ökobilanz eines Elektroautos ist erst nach elf Jahren besser als bei einem Diesel-Fahrzeug.

Viele Dieselfahrer sind jetzt gezwungen, den ÖPNV zu nutzen. Nicht nur durch Stuttgart 21 ist dieser überlastet. Durch zahlreiche Baustellen und technische Defekte an Leitungen sowie im Schienennetz werden Verspätungen und Zugausfälle verursacht. So sind die Bahnen nicht nur in den Hauptverkehrszeiten zum Platzen voll. Das Land Baden-Württemberg stellt 450 Millionen Euro zur Verfügung, um den Nahverkehr auszubauen. Busse sollen umgerüstet, Expressbusse eingesetzt und die Taktung bei S-Bahnen erhöht werden. Durch eine Tarifreform sollen die Fahrpreise gesenkt werden. Was aber am Ende davon übrig bleibt, wird sich zeigen.

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Über den Autor

Andreas Grimm (Jahrgang 1972) hat Philosophie und Germanistik studiert und eine zeitlang als Lehrer gearbeitet.

Seit 2016 schreibt er Artikel in der UZ, vornehmlich Kulturkolumnen, und wirkt in der Redaktion der Stuttgart links, der Zeitung der DKP Stuttgart, mit. Aufgrund verschiedener musikalischer, belletristischer und schauspielerischer Tätigkeiten in den letzten 30 Jahren fühlt er sich vor allem dem kulturellen Metier verpflichtet. Zurzeit absolviert er ein Fernstudium in Journalismus.

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"Umweltfreundlich?", UZ vom 18. Januar 2019



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