Staatsräson gegen Grundrechte

Verwaltungsgericht und NGO verurteilen Repression in BRD

Als der Autor dieses Beitrags am 14. Mai 2024 im Zuge des Verbots von Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen musste, durfte er sich von den Beamten nicht nur Lügen und Drohungen anhören. Die Polizisten erzählten ihm auch, dass sie auf dem Weg zur Razzia Witze darüber gerissen hätten, dass es ja ihre Kollegen von der Duisburger Einsatzhundertschaft gewesen waren, die rund einen Monat zuvor den Palästina-Kongress in Berlin aufgelöst hätten.

Auflösung war rechtswidrig

Lachen können diese „Freunde und Helfer“ darüber freilich noch immer, denn keiner von ihnen wird je für dieses Vorgehen belangt werden. Und das, obwohl diese „Ruhmestat“ nun offiziell für illegal erklärt wurde. Das Verwaltungsgericht Berlin stufte die Auflösung des Kongresses am gestrigen Mittwoch als unverhältnismäßig und rechtswidrig ein. Das Urteil überrascht kaum. Schließlich war die Veranstaltung von Rechtsanwälten eng begleitet worden, und bereits kurz nach der Auflösung hatten mehrere Juristen öffentlich ihre Einschätzung bekundet, dass das Vorgehen der Polizei und des Berliner Senats illegitim gewesen sei. Zudem waren bereits die von der Bundespolizei verhängte Einreisesperre für den Schengen-Raum sowie das Betätigungsverbot in Deutschland für den palästinensischen Arzt Ghassan Abu-Sittah von Gerichten in Berlin und Potsdam für rechtswidrig befunden worden.

Die Veranstalter des Kongresses kommentierten, der Ablauf sei „typisch“: Zunächst werde Palästina-Solidarität „verboten und dann wird anderthalb Jahre später festgestellt, dass die Repressionen rechtswidrig waren.“ Zudem wiesen sie darauf hin, dass in der Zwischenzeit „über 100.000 Menschen in Gaza durch deutsche Waffen ermordet wurden.“ Die Konsequenz sei klar: „Wir klagen weiter an!“

Kolonialer Import, faschistischer Export

Ebenfalls am Mittwoch erschien ein Bericht der niederländischen NGO Transnational Institute (TNI). Darin legte sie die Ergebnisse aus 18 Monaten Recherche über Repression gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung in Deutschland vor. Der ungekürzte, englischsprachige Report umfasst 100 Seiten. Daneben gibt es eine siebenseitige deutsche Zusammenfassung. Der Bericht benennt vier Säulen, auf denen die Repression ruhe: Deutschlands Mitverantwortung für die israelische Besatzung und den Völkermord in Gaza, der politisch-rechtliche Rahmen, der bewusst Antizionismus und Antisemitismus vermenge, der Einsatz von Polizeiarbeit, Überwachung, Gewalt, Zensur und wirtschaftlichem Druck gegen „Aktivist*innen und kritische Stimmen“ und die Rolle von Medien, Nichtregierungsorganisationen und Teilen der politischen Linken bei der Aufrechterhaltung dieses Klimas.

Der Report stützt sich vor allem auf Interviews und Fallstudien. Er ordnet aber auch politisch ein. Unter Verweis auf Aimé Césaires „Bumerang“-Theorie betonen die Autoren, dass Deutschlands bedingungslose Unterstützung für die zionistische Kolonial- und Apartheidpolitik in Palästina „mit ganzer Wucht“ auf die Metropole zurückschlage. „Wir fühlten uns, als hätten wir es mit Siedlersoldaten, Kolonialsoldaten zu tun, aber mit deutscher Kleidung“, so zitiert der Bericht Majed Abusalama, einen Mitbegründer der Gruppe „Palästina Spricht“, mit Blick auf die deutsche Polizei, die für ihre antipalästinensischen Prügelorgien mittlerweile weltbekannt ist.

Indem Deutschland diese koloniale Gewalt, die in der Metropole Césaire zufolge zur faschistischen Gewalt wird, „verfeinert, institutionalisiert und exportiert“, sei die BRD mittlerweile „zu einem Testfeld für die Kriminalisierung der Palästinasolidarität geworden“, so der Report. „Es lotet aus, wie weit es bei der Unterdrückung der Redefreiheit, dem Verbot von Protesten und dem Ausreizen der verfassungsmäßigen Ordnung gehen kann, bis diese fast nicht mehr als solche erkennbar ist.“

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