Vietnam, Indien, Taiwan – es wird zunehmend absurd im Handelskrieg

Viel Feind – wenig Ehr’

Von Klaus Wagener

Eigentlich ist längst klar, dass Washington mit seinem Handels- und Technologiekrieg den Aufstieg der VR China nicht wird stoppen können. Die Frage, wer unter den Zöllen und Sanktionen am meisten leidet, ist dabei weitgehend irrelevant. Entscheidend wird sein, ob die Trump-Regierung der Volksrepublik tatsächlich den Weg zur ökonomischen Prosperität, zum Infrastrukturprojekt „Belt and Road Initiative“ (neue Seidenstraße) und zum Technologie-Programm „Made in China 2015“ verlegen kann. Oder, weitergedacht, kann das US-Imperium die eurasische Integration stoppen oder auch nur behindern?

Wir wollen es zumindest versuchen, sagt man sich offenbar im Weißen Haus und weitet den Kreis derjenigen aus, die mit dem neuen US-Wirtschaftsprotektionismus beglückt werden: Vietnam! Vietnam ist einer der Gewinner des US-Wirtschaftskriegs. Chinesische Exporte in die USA im Wert von 250 Mrd. Dollar sind mit Zöllen von 25 Prozent belegt. Macht 62,5 Mrd. Dollar. Da sinnen die Firmen über Wege nach, das zu vermeiden. Viele dieser Wege führen über Südostasien, Indien oder sogar über Afrika. So auch über Vietnam. Die chinesischen Exporte in die USA sind aktuell (Mai 2019) um 12 Prozent (rund 60 Mrd. Dollar) gefallen. Der höchste Wert seit Beginn des Handelskriegs. Viele, auch in Vietnam, hoffen, hier einspringen zu können. Das Handelsbilanzplus von Vietnam gegenüber den USA ist 2018 auf 41,6 Mrd. Dollar gestiegen.

Am 2. Juli 2019 haben die USA Zölle von bis zu 456 Prozent auf Stahlprodukte aus Vietnam verhängt. Das prosperierende Land (erwartetes BIP-Wachstum 2019: 7–8 Prozent) hat eine zweistellige Milliardensumme in eine eigene Stahlproduktion investiert. Vor allem für den eigenen Bedarf. Die vom US-Zoll betroffenen Stahl-Exporte in die USA dürften gerade 0,4 Prozent der vietnamesischen Exporte ausmachen. Warum also? Insbesondere, da Washington Vietnam gern als Gegner Chinas beispielsweise in der Territorialfrage im Südchinesischen Meer aufbauen möchte. Vertrauensbildende Maßnahme kann man das wohl kaum nennen. Etwa auf der gleichen Ebene liegt der neu entfachte Handelsstreit mit Indien. Indien soll als Gegenmacht zu China aufgebaut werden und gleichzeitig streichen die US-Handelsfalken dem Land seine Zollvorteile.

Vietnam, Indien, Japan, Mexiko, Kanada, EU, Schweiz, natürlich auch Russland. Präsident Trump und seine Hardliner schrecken auch vor (ehemals) engen Verbündeten nicht zurück. Je erfolgloser der Handelskrieg in der Sache, umso mehr Staaten werden für Washington zu Gegnern.

In dem Bemühen, sich mit dubiosen Freunden zu umgeben, wie beispielsweise Benjamin Netanjahu oder Mohammed bin Salman, hat Donald Trump nun eine Waffenlieferung für 2,2 Mrd. Dollar an Taiwan genehmigt. Darunter über 100 Abrams-Kampfpanzer und Stinger Luftabwehrraketen. Das ist ungefähr so, als würde China den Separatismus in den USA mit Panzern und Raketen ausstatten. In Peking war man wenig amüsiert.

Das US-Imperium hatte sich zur Akzeptanz der „Ein-China-Politik“ entschlossen, um die Spaltung des Sozialismus vorantreiben zu können und, nach 1989, die profitablen Geschäfte mit der Volksrepublik weiter betreiben zu können. Nun, nachdem die VR China zu den revisionistischen Mächten zählt, die den Vormachtanspruch des Imperiums in Frage stellen, steht auch die „Ein-China-Politik“ wieder im Feuer. Die US-Navy macht mit Durchfahrten durch die Straße von Taiwan, immerhin chinesisches Hoheitsgebiet, deutlich, dass das Imperium de facto an Taiwan, dem Stachel im Fleisch des aufstrebenden Chinas, festhält. Die neusten Waffenlieferungen verschärfen die Lage. Es dürfte nicht überinterpretiert sein, dies im Kontext der unnachgiebigen chinesischen Positionierung im Handelskrieg und insbesondere bei den Seltenen Erdmetallen zu sehen.

Die chinesische Seite hat mit Sanktionen gegen beteiligte US-Firmen reagiert. Noch fehlt der Volksrepublik der Hebel der Weltreserve-Währung, der die US-Sanktionen so wirksam macht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

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"Viel Feind – wenig Ehr’", UZ vom 19. Juli 2019



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