Steuerzahler zahlen für Dilettantismus der Regierenden – Das Beispiel PKW Maut

Wer erinnert sich an Andreas Scheuer?

Auch die Vorgängerregierung der Ampel hat ordentlich Murks gemacht. Seit Mittwoch vergangener Woche steht fest, dass der Bund für die vom damaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) auf den Weg gebrachte PKW-Maut Schadenersatz in Höhe von 243 Millionen Euro an das Betreiberkonsortium zahlen muss. Der Bundestag hatte die Pkw-Maut am 24. März 2017 in Kraft gesetzt. Die Bedenken, ob die Vereinbarungen mit europäischem Recht in Einklang zu bringen sind, waren unüberhörbar. Österreich hatte eine Klage am Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Scheuer schloss im Dezember 2018 dennoch millionenschwere Verträge mit den vorgesehenen Betreiberfirmen ab.

Dabei hätte er sich Zeit lassen können. Im Mautgesetz war der Start des Projekts erst auf 2020 festgelegt worden. Selbstherrlich erklärte er, nachdem die Unterschriften unter den Verträgen getrocknet waren: „Die Pkw-Maut kommt – in dieser Legislaturperiode“. Es kam, wie es kommen musste: In seinem Urteil vom 18. Juni 2019 entschied der Europäische Gerichtshof zugunsten der Klage Österreichs und stoppte die „Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen durch Personenkraftwagen“ mit der Begründung, sie verstoße gegen Unionsrecht.

Flugs kündigte Scheuer die Verträge und zauberte als Kündigungsgrund eine „Vertragsverletzung“ der Betreiberfirmen aus dem Hut. Erwartungsgemäß wiesen die Betreiber das zurück. Der um sein Renommee besorgte Scheuer und sein Ministerium investierten fortan annähernd 13 Millionen Euro in den Rechtsstreit, selbstredend aus Bundesmitteln. Seine hochdotierten Anwälte schafften es aber noch nicht einmal, den Kündigungsgrund zu beweisen. Mit einer Schadenersatzforderung von 560 Millionen Euro seitens der Betreiber konfrontiert, gab der Bund nun klein bei und einigte sich auf eine Vergleichszahlung von „nur“ 243 Millionen Euro.

Konsequenzen für Scheuer? Aus dem Bundesverkehrsministerium ist zu hören, man „prüfe Regressforderungen“ gegen den früheren Verkehrsminister. Der Grünen-Experte für moralische Entrüstung, Anton Hofreiter, gab in der „Bildzeitung“ zum Besten, Scheuer müsse sogar entschieden in Regress genommen werden. „Hierbei müsste man auch eine stärkere persönliche finanzielle Haftung diskutieren, auch generell bei ähnlich gelagerten Fällen“, so Hofreiter. Doch die Forderung nach Regress vertuscht nur den Umstand, dass am Ende der Steuerzahler für den Dilettantismus geradestehen wird. Scheuer kann sich beruhigt zurücklehnen.

Eine durchsetzbare Anspruchsgrundlage auf Schadenersatz ist nicht in Sicht. Zwar enthält das Bürgerliche Gesetzbuch in Paragraf 839 einen generellen Haftungstatbestand, wonach ein Beamter, der mit Vorsatz oder zumindest fahrlässig seine Amtspflicht verletzt, zur Ader gelassen werden kann. Die Norm ist indessen nur anwendbar, wenn sich in einem Spezialgesetz Regelungen über Pflichtverletzungen finden. Und genau solches fehlt im Bundesministergesetz. Es steht zu befürchten, dass das Bundesverkehrsministerium hierzu ein externes Gutachten erheben wird. Die zu beauftragende Rechtsanwaltskanzlei wird dann dem Verkehrsministerium für ihre Beratungsleistung mehrere zehntausend Euro in Rechnung stellen. Um zu wissen, wer dafür aufkommen muss, braucht man allerdings keine Kenntnisse des Schadenersatzrechts. Auch Hofreiter weiß das.

Über den Autor

Ralf Hohmann (Jahrgang 1959) ist Rechtswissenschaftler.

Nach seinen Promotionen im Bereich Jura und in Philosophie arbeitete er im Bereich der Strafverteidigung, Anwaltsfortbildung und nahm Lehraufträge an Universitäten wahr.

Er schreibt seit Mai 2019 regelmäßig für die UZ.

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"Wer erinnert sich an Andreas Scheuer?", UZ vom 14. Juli 2023



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