Zur 78. Vollversammlung der UNO

Wölfe im Schafspelz

Deutschland hat seinen 50. Jahrestag der Aufnahme in die UNO gefeiert. Damals, 1973, als 133. (BRD) und 134. (DDR) Mitglied. Die diesjährige UN-Vollversammlung war ein willkommener Anlass, dieses Jubiläums zu gedenken. Wie nicht anders erwartet, nach großdeutschem Geschichtsverständnis natürlich: Als Ergebnis Brandtscher Entspannungspolitik, die die Aufnahme beider deutscher Staaten ermöglichte. Der Anteil der DDR wird verschwiegen, wenn nicht verfälscht. Verschwiegen wird auch, dass die BRD damals schon den Grundlagenvertrag zwischen beiden deutschen Staaten von 1972 – Voraussetzung für die UNO-Aufnahme – unterlaufen hatte, indem sie mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wenige Monate vor der UNO-Aufnahme, im Juli 1973, den Wesensgehalt des Vertrages entstellte. Schon damals Völkerrechtsbruch, juristische Aggression gegen die DDR mit Bekräftigung des Alleinvertretungsanspruchs der BRD im Urteil.

Aber all das ist für die westdeutschen Machthaber vergessen. Und Scholz´ Gedächtnis ist ohnehin geschädigt. Der Doppel-Wumms-Kanzler feierte also sich und Seinesgleichen vor der Vollversammlung – wenn auch vor fast leerem Saal. Er feierte Deutschland als „zuverlässigen Partner“ der Weltgemeinschaft. Gegen „Revisionismus und Imperialismus“, besonders den russischen. Für eine „multipolare Welt“. Sprach von souveräner Gleichheit, territorialer Integrität und davon, dass Deutschland dem Frieden verpflichtet sei. Großspurig präsentierte er allerdings für den aufmerksamen Zuhörer alle Indizien für Deutschlands imperialen und unipolaren Machtanspruch, Kriegspolitik und Völkerhass. „Russland ist für diesen Krieg verantwortlich“, war seine Hauptaussage zum Ukraine-Krieg. Verkehrung der Tatsachen. Immerhin mimte Scholz Bescheidenheit und vermied die Forderung nach einem ständigen Sitz für die BRD im Sicherheitsrat. Das erledigte sein Freund Selenski für ihn. Deutschland sei zu einem der „wichtigsten Garanten für Frieden und Sicherheit“ geworden. Und Russland müsse das Veto-Recht aberkannt werden. Alles verbunden mit Forderungen nach mehr und neuen Waffen für die Ukraine und weiteren Strafen für Russland. Dieselben Melodien bei ihren Auftritten im Sicherheitsrat. Alles bekannt und alles für den Frieden. Übrigens sprach Selenski ebenfalls vor fast leerem Saal. In einem manipulierten Video ist er sogar als sein eigener Zuhörer zu sehen. Das Interesse der Weltgemeinschaft hält sich offenbar in Grenzen.

Die Krönung lieferte allerdings der größte Kriegstreiber und -verbrecher, US-Präsident Joseph Biden. Der gerierte sich als weiser Hüter, Wächter und Mahner für den Frieden. Unter Bezug auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vor 75 Jahren zelebrierte er, dass und wie die USA den Menschenrechten verpflichtet waren und seien. Und zwar auf der ganzen Welt, um die Menschenwürde zu schützen. Benannte selbstverständlich auch die Feinde der Menschenrechte, vor allem Nordkorea und den Iran. Und Russland, das „ohne Provokation“ den Krieg in der Ukraine ausgelöst habe.

Offenbar ist Biden und Scholz bewusst, wie ihre Macht und ihr Ansehen in großen Teilen der Welt schwinden. Deshalb ihr sichtbares Bemühen, mit Auftreten und Rhetorik friedfertig und respektvoll zu wirken. Ihren Anspruch auf Wortführerschaft in der Weltgemeinschaft konnten sie aber nicht verbergen. Allzu sehr erleben die meisten Staaten, welche Rolle besonders die USA, NATO, EU, aber auch Deutschland in Wirtschaftskriegen, bei der Ausbeutung fremder Länder und Neokolonialismus spielen. Abgesehen von der Beteiligung an „bunten Revolutionen“ und heißen Kriegen.

Die 37. Vollversammlung hat den russischen Außenminister Lawrow bestätigt: „Leider hat sich der sogenannte kollektive Westen unter Führung der USA nach dem Ende des Kalten Krieges das Recht angeeignet, über die Geschicke der gesamten Menschheit zu bestimmen …“ Das erkennen immer mehr Völker, wie die Vollversammlung bewies.

Auch Wölfe im Schafspelz können nicht verschleiern, dass die wirkliche Zeitenwende bereits in vollem Gange ist.

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