Sturm und Grundeis

Zu Recht

Von Karl Rehnagel

Es war ein äußerst denkwürdiger Nachmittag, der uns da um die Ohren flog. Draußen ein Sturm, der unser kleines Rauchervorzelt im Minutentakt durchschüttelte. Drinnen auf der Glotze ein Sturm von Sancho, Phillip und Kollegen, die die Hoffenheimer vom Platz zu fegen schienen. 32. Minute Sancho mit dem 1:0, 43. Minute Götze mit dem 2:0, 66. Minute Guerreiro mit dem 3:0. Wir feierten ausgiebig, es wurde gesungen und die schöne M. sprach zumindest wieder ein wenig. Prima. Der kleine Sancho machte Dinge mit Körper und Ball, die uns zu Sitting Ovations anregten. Ein Traum, der Junge. Als er in der 75. Minute nach genialem Lauf am Innenpfosten scheiterte, war uns das ziemlich wumpe, das Spiel war schließlich gelaufen. Denkste. Die Dortmunder fingen sich in den letzten 15 Minuten sage und schreibe drei Buden ein, eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Aber plötzlich erschienen sie wie eine pubertierende Schülermannschaft aus Castrop-Rauxel-Bladenhorst auf Klassenfahrt in unbekannte Gebiete. Haarsträubende Fehler in allen Mannschaftsteilen, alleine Torwart Bürki versuchte zu retten, was anscheinend nicht mehr zu retten war. Mit so einer Vorstellung wird es nix mit der Meisterschaft. Zu Recht.

Und sonst? Bayern schob sich nicht besonders hübsch, aber erfolgreich zurück auf den 2. Platz (3:1 gegen Schalke), Gladbach ging zu Hause gegen die Hertha unter (0:3), Leverkusen überrollte Mainz (1:5), Bremen die Augsburger (4:0) und Düsseldorf erstaunte einmal mehr: 3:0 gegen Stuttgart. Turbulent war es in Freiburg. Der Ortsverein lag drei mal zurück und glich dreimal wieder aus gegen Wolfsburg. Das vielleicht schlechteste Spiel sah mein Arbeitskollege D., ein ausgewiesener Frankfurter: Leipzig gegen Frankfurt 0:0.

Wir tranken noch ein bis drei Bier aus und verzogen uns dann in die legendäre Stehpizzeria von Cianni, um den reichlich genossenen Getränken etwas entgegenzusetzen. Die schöne M. sprach wie sie aß: sparsam. Aber so richtig Lust auf großes Gerede hatte auch keiner der anderen am Tisch mehr, nach der Vorstellung des BVB in den letzten 15 Minuten des Spiels. Was will man dazu auch noch sagen? Uns geht der Arsch auf Grundeis? Möglicherweise kann Schalke-Legende Olaf Thon aushelfen: „Wir lassen uns nicht nervös machen, und das geben wir auch nicht zu!“ Zu Recht.

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"Zu Recht", UZ vom 15. Februar 2019



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