Zweierlei Nationalismus

Franz Anger über das geplante Einwanderungsgesetz

An den jüngst verkündeten „Eckpunkten für ein Einwanderungsgesetz“ zeigt sich, dass der hiesige Staatsapparat die völkische Ausländerfernhaltepolitik für unzweckmäßig hält. Zweckmäßig sei dagegen, dass nicht diejenigen Migranten „in ihre Heimat zurückgeschickt werden, die in Deutschland gebraucht werden“, sagt der sozialdemokratische Arbeitsminister Hubertus Heil. Gebraucht werden von der „deutschen Industrie“ nämlich Zuwanderer, die den „Fachkräftemangel“ verringern. Erforderlich, so heißt es, sei deren Einwanderung, weil die „inländischen Potenziale“ (und die der EU) nicht ausreichen, um die „deutsche Wettbewerbsfähigkeit“ auf den Märkten dieser Welt zu stärken.

Dominant ist hierzulande deswegen der utilitaristische Nationalismus, den die Staatsgewalt unter Leitung der Regierungschefin exekutiert, indem sie die Anwesenheit von Ausländern gestattet, falls jene in ökonomischer oder politischer Hinsicht als nützlich, als Bereicherung für die „deutsche Nation“ befunden werden. Schließlich ist die Bereicherung der Damen und Herren Unternehmer der Zweck des herrschenden Marktwirtschaftssystems, der durch Auspressung von „Humankapital“ bei der Produktion von Waren realisiert wird. Nützlich für den deutschen Staat können Ausländer zudem sein, wenn ihnen Asyl gewährt wird, weil sie aus einem befeindeten Staat kommen, den es aus geopolitischen Gründen zu diskreditieren gilt; erinnert sei in diesem Zusammenhang an die „Kontingentflüchtlinge“ aus Vietnam, Laos und Kambodscha.

Während also die deutsche Staatsgewalt und auch – laut „Integrationsbaromenter“ – die große Mehrheit ihres Staatsvolkes die nützliche Migration als Bereicherung betrachtet, plädieren nicht wenige Staatsbürger für eine Ausländerfernhaltepolitik. Anhänger dieser Politik sind AfD-Wutbürger und andere rebellische Untertanen, deren Ideologie der völkische Nationalismus ist. Die völkischen Nationalisten sind prinzipiell gegen die Anwesenheit von Ausländern, da sie ein Schaden für das deutsche Volk und seine „völkische Identität“ sei. Folglich werden in Chemnitz und andernorts zuweilen Menschen von völkischem Mob traktiert, weil sie „fremdartig“ aussehen. In die Tat umgesetzt wird dergestalt die herbei phantasierte AfD-Parole „Hol Dir Dein Land zurück!“.

Nota bene: menschenunfreundlich sind beide Formen bürgerlicher Politik. Denn beide basieren auf dem wunderlichen Nationalismus, dem die staatlich hergestellte Unterscheidung zwischen Inländern und Ausländern als naturgegeben erscheint, so dass Fremde misstrauisch als illoyale Subjekte betrachtet und behandelt werden, die man assimilieren oder abschieben muss.

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"Zweierlei Nationalismus", UZ vom 12. Oktober 2018



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