Politik im Stadion: Der SV Werder Bremen

Ärger in der Ostkurve

Von Andres Irrure

Deutschlandweit kennt und schätzt der Fußballfan den grün-weißen Club von der Weser. Der SV Werder Bremen gehört zum Inventar der Fußball-Bundesliga. War der Verein bis vor wenigen Jahren noch regelmäßig im oberen Tabellendrittel zu finden, bereitet ihm das fehlende Geld und das Fehlen von Starspielern gewaltige Probleme.

Sechs Mal war der SV Werder Bremen Pokalsieger, vier Mal deutscher Meister und befindet sich in der ewigen Tabelle auf Platz Zwei, hinter dem FC Bayern. 1992 gewann man den Pokal der Pokalsieger gegen den AS Monaco.

Doch diese Zeiten sind längst passé, trotzdem pilgern alle zwei Wochen immer noch über 42 000 Zuschauer ins Weserstadion, um ihre Mannschaft anzufeuern. Dabei musste die große Fanszene in Bremen über Jahre große Kraft darauf verwenden, ihr Negativimage loszuwerden. Bekannt und berüchtigt war die Skinheadszene in und um Bremen und Delmenhorst, die sich zum überwiegenden Teil aus Neonazis rekrutierte. Ausgehend von den 1980er Jahren, als sich deutsche Oi!-Musik in der jugendlichen Subkultur immer mehr etablierte und rechtsradikale Bremer Bands wie „Endstufe“ oder die „Boots Brothers“ aus Delmenhorst sich großer Beliebtheit erfreuten, bildeten sich auch in der Werder-Fankurve Gruppen aus Nazi-Skinheads und anderen Rechtsradikalen. Heute sind Gruppen wie „Kategorie C – Hungrige Wölfe“ um Hannes Ostendorf aktiv. Eben dieser spielte mit seiner Band oder alleine mehrmals Solikonzerte für den inhaftierten Landser-Sänger oder bei Gedenkveranstaltungen für Ian Stewart (verstorbener Sänger der englischen Band „Skrewdriver“ und Begründer des „Blood & Honour“-Netzwerkes). Auch trat er bei der Demonstration von „Hooligans gegen Salafisten“ in Köln auf. Musik ist ein klarer Türöffner zu neonazistischem Gedankengut und wichtig für den Kampf um die Köpfe, gerade unter Jugendlichen.

Anfang der 2000er lösten sich erste Fanclubs vom Kern der Ostkurve. Die damals größte Ultragruppe war „Eastside“, die, und das war umstritten, das Image des „unpolitischen“ Fans pflegte. Der Slogan „Politik raus aus dem Stadion“ kommt jedoch aus rechten Kreisen und ist ein immer wiederkehrender Versuch, linke Meinungen im Keim zu ersticken. Mit Schals, Shirts und Bannern werden dann rechtsradikale Inhalte „unpolitisch“ ins Stadion getragen. Ein gesunder Gegenpol ist die Antwort: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“.

Beim SV Werder wurde die Auseinandersetzung unter den Fans öffentlich: 2002 gründete sich erstmals eine sich zum Antirassismus bekennende Ultra-Gruppe, die „Cercle d‘Amis“ (CDA). Dieser „Freundeskreis“ bestand anfangs aus nur wenigen Mitgliedern, wuchs jedoch stetig an und als sich 2005 die „Eastside“ – aufgrund von Differenzen innerhalb der Gruppe – offiziell auflöste, entstanden weitere antirassistische Gruppen. Auf den ersten Blick hatten die Neonazis ihr Sprachrohr innerhalb der Fanszene verloren. Ein Trugschluss, im Januar 2008 überfielen Hooligans und Neonazis das Geburtstagsfest der „Racaille Verte“.

Der rechte Teil der Fankurve versuchte die noch junge Ultraszene zu zerstören, indem sie permanent Gewalt anwandten. Die Polizei sah wie üblich keinen Grund, in die „Streitigkeiten jugendlicher Gruppen“ einzugreifen. Auch zeigte sich das Fanprojekt des SV Werder zunächst tolerant gegenüber rechten Gruppen und schlug vor, Täter und Opfer zu einem Dialog an einen Runden Tisch zu bringen. Die aktive Fanszene ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Beim Auswärtsspiel in Bochum im Herbst 2008 versuchten Anhänger der rechten Gruppierung „Norsturm Brema – NSHB“ (ehemals „Standarte Bremen“) im Fanblock ihr Banner zu zeigen. Mutige Fans stellten sich ihnen in den Weg und verhinderten dies. Die Situation schien zu eskalieren, bis die Polizei eingriff und die Nazis über das Spielfeld aus dem Fanblock führte.

Bis heute gibt es immer wieder Ausschreitungen von rechten Hooligans, die sich zwar beim SV Werder nicht mehr öffentlich zeigen, aber in der Stadt versuchen, ihre Gegner einzuschüchtern. Die Fanszene in Bremen ist eine aufgeweckte grün-weiße Wand, die unsere Solidarität verdient. Der Spuk von rechts ist nicht zu Ende – das wird noch viel Arbeit erfordern.

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"Ärger in der Ostkurve", UZ vom 1. Dezember 2017



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