Industrienaher Sachverständigenrat veröffentlicht Positionspapier

Arbeitsmigration erleichtern

Eigentlich wollten acht EU-Staaten 1.600 unbegleitete oder kranke Kinder und Jugendliche von den griechischen Inseln aufnehmen. Doch bislang ist wenig geschehen. Am Montag dieser Woche erklärte der Sprecher des Bundesinnenministeriums in der Bundespressekonferenz, man wolle „zeitnah“ eine Lösung finden. Inzwischen breitet sich das Coronavirus in Flüchtlingslagern aus.

Während Regierungsvertreter immer noch auf Absprachen zwischen den „willigen“ Aufnahmeländern der EU verweisen und davon reden, dass die EU-Kommission erst alles koordinieren müsse, schlagen Verbände Alarm. Selbst rund 50 CDU-Abgeordnete fordern die Aufnahme der Kinder und Jugendlichen. „Pro Asyl“ erklärte am Montag, dass auch die „Bundesregierung selbst aktiv werden und vorangehen“ könne, „anstatt den Prozess durch neue Verhandlungen auf EU-Ebene noch weiter zu verzögern“.

Andere fordern gleichfalls Hilfe, schauen dagegen bereits auf die Zeit nach der Corona-Krise. Ende März veröffentlichte der „Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration“ (SVR), dessen Jahresbericht 2020 vom Bundesinnenministerium gefördert wird, ein Positionspapier: „Solidarisch, praktikabel, krisenfest: Für eine neue Asyl- und Migrationspolitik der Europäischen Union. Empfehlungen an die europäischen Institutionen und die Bundesregierung für die aktuelle Legislaturperiode der EU“. Der SVR geht nach eigener Angabe auf eine Initiative der Stiftung Mercator und der VolkswagenStiftung zurück. Ihr gehören neben den bereits genannten Stiftungen die Bertelsmann-, die Freudenberg-, die Robert-Bosch-, die Vodafone-Stiftung und der Stifterverband an.

Im Positionspapier wird vor einer möglichen humanitären Katastrophe in den Flüchtlingslagern gewarnt. Im „Deutschlandradio Kultur“ forderte Petra Bendel, Vorsitzende des SVR, am 31. März jetzt, besonders verletzliche Personen – Kinder, Kranke oder Behinderte – aus den Lagern zu holen und anderswo aufzunehmen. Über solche und andere Sofortmaßnahmen hinaus verlangt der SVR eine grundlegende Reform des europäischen Asylrechts. Das Positionspapier richte sich „nicht nur an die für Migration, Asyl und Integration zuständigen Bereiche der europäischen Institutionen, sondern auch an die einzelnen Mitgliedstaaten der EU und im Besonderen an die deutsche Bundesregierung, die ab Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft innehaben wird“. Deutschland müsse seine Rolle als glaubwürdiger und engagierter Mittler wahrnehmen und sich dafür einsetzen, die gemeinschaftliche Migrations- und Asylpolitik der EU-Staaten zu erneuern. Im Blick hat man dabei den geplanten neuen europäischen „Pakt“ für Migration und Asyl. Bendel hatte gegenüber „Deutschlandradio Kultur“ erklärt, der Schutz von Flüchtlingen sei dabei aber nicht verhandelbar. Im Positionspapier wird gefordert, im neuen Pakt weiterhin das irreguläre Einreisen von Schutzsuchenden zu ermöglichen und er solle eine solidarische Verteilung auf die Mitgliedstaaten enthalten. Darüber hinaus fordert der SVR, „reguläre Zuwanderungswege“ auszubauen; hierfür sollen das Umsiedlungsprogramm der UN vorangebracht und mehr Möglichkeiten für Arbeitsmigration geschaffen werden. Zuwanderung soll auch „für mittel- und geringqualifizierte Erwerbspersonen“ ermöglicht werden. Hier wird auch auf das deutsche Fachkräfte-Einwanderungsgesetz verwiesen. Gefordert wird auch, die von Griechenland geschlossene Grenze zur Türkei bald wieder für Asylsuchende zu öffnen. Außerdem solle „ein System für die Bearbeitung von Asylanträgen aufrechterhalten“ werden.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Arbeitsmigration erleichtern", UZ vom 10. April 2020



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