Der Deutschen Post ist das zu teuer

Auszubildende ausbilden?

Tim Laumann

Im Dezember 2020 informierten viele Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) in den Niederlassungen der Deutschen Post über die Absichten des Unternehmens, die Konzernbetriebsvereinbarung zur Ausbildung von „Fachkräften für die Kurier-, Express- und Postdienstleistung“ kündigen zu wollen. Bei diesen Fachkräften handelt es sich um Zusteller, landläufig auch „Postboten“ genannt.

Die Kapitalseite schlug zudem vor, den selbstständigen Einsatz der Post-Azubis vorzuziehen. Bis jetzt schickt die Deutsche Post Azubis im 7. Monat das erste Mal allein in einen Bezirk – offiziell. Inoffiziell ist das Personalmanagement häufig so auf Kante genäht, dass solche Einsätze früher vorkommen. Das neue Konzept sah vor, dass der erste eigenständige Einsatz im dritten oder vierten Ausbildungsmonat stattfinden sollte – und somit innerhalb der Probezeit von vier Monaten. Regelhaft sollte der selbstständige Einsatz nach spätestens sechs Monaten werden.

Dahinter stehen vermutlich drei Grundgedanken: Zum einen ist die Zunahme der Arbeitsbelastung bei der Umstellung von gemeinsamer Zustellung auf den eigenständigen Einsatz enorm. In der Probezeit können so Auszubildende besser aussortiert werden. Zum zweiten sind Auszubildende in der Zustellung, wenn sie alleine arbeiten, für das Unternehmen billige Arbeitskräfte. Eine Ausbildung im engeren Sinne findet dann in dieser Praxiszeit nicht statt.

Der dritte Gedanke ist grundlegender: In den Monaten zuvor war die Zuständigkeit für die Auszubildenden verlagert worden – aus der Personalabteilung in die Abteilung der Zustellung, konkret in die Zustellstützpunkte mit Leitungsfunktionen. Dort übernahmen sogenannte „Coaches“ die Ausbildung. Diese waren bis dato zuständig für die Einweisung von „Anlernkräften“, die eine zweiwöchige Kurzausbildung erhalten und dann in die Zustellung gehen. Es liegt nahe, diese Entwicklung mit der gekündigten Konzernbetriebsvereinbarung in einen Zusammenhang zu stellen.

Die Einsparung von Kräften, zuerst in der Personalabteilung, perspektivisch weitergehend mit einer deutlich geringeren Anzahl an Auszubildenden, scheint zu locken. Die ersten Kurse, die die Auszubildenden im Rahmen des betrieblichen Unterrichts besuchen, sind auch bereits dieselben wie diejenigen, die die Anlernkräfte durchlaufen.

Die Gesamt-JAV stellte sich gegen das neue Konzept. Das Unternehmen reagierte nun, allerdings nicht offiziell. Gleichzeitig sickerte aber an gewerkschaftliche Kreise durch, dass es einen „Einstellungsstopp“ für neue Auszubildende in der Zustellung geben soll – JAVen vor Ort nennen das Erpressung. Gewerkschaftliche Betriebsgruppen bei der Post kritisieren in den Betriebszeitungen scharf das Vorgehen der Geschäftsleitung.

Diese Auseinandersetzung spielte auf den vor kurzem stattgehabten Jugend- und Auszubildendenversammlungen eine Rolle, auch wenn die Gesamt-JAV offenbar nicht darauf orientiert, die Auszubildenden einzubeziehen und sie zu mobilisieren, um diesen Angriff abzuwehren. Auf Nachfrage hieß es, man sei in den Diskussionen mit der Konzernleitung „richtig frech“. Aber auch eine „freche“ Stellvertreterpolitik bleibt Stellvertreterpolitik und wird die unteren JAV-Gremien genauso wenig wie die Auszubildenden auf die Auseinandersetzung vorbereiten und diese konfliktorientiert führen können. Anknüpfend an diese Erkenntnis können kämpferische Gewerkschafter vor Ort Jugendaktive zur Unterstützung ihrer JAVen bilden.

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"Auszubildende ausbilden?", UZ vom 11. Juni 2021



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