Noch keine 100 Tage im Amt, und schon ist die Grünen-Kriegerin bereit, unser Land „einen sehr hohen Preis zahlen“ zu lassen

Baerbock im deutsch-russischen Porzellanladen

Friedhelm Klinkhammer, Volker Bräutigam

Außenministerin Annalena Baerbock gibt den Maas 2.0: Voll dabei, die letzten Reste von Sachlichkeit und Zurückhaltung fallen zu lassen und sie mit NATO-typischer Aggressivität und Drohungen zu ersetzen. Den „deutsch-russischen Medienkrieg“ – hie der Sender „RT DE“ unter Verbot, dort die Moskauer Dependance der „Deutschen Welle“ geschlossen – hat niemand anderes als das Berliner Außenministerium erklärt. Der deutsche Medienchor der Selbstgerechten versucht das zwar zu übertönen. Der Redaktion „ARD-aktuell“ ist jedoch zu bescheinigen, was für viele Propagandisten unseres regierungshörigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks gilt: „Wozu noch das journalistische Handwerk bemühen, wenn plumpe Hetze für die beste Sendezeit ausreicht?“ Danach fragt kaum einer mehr, wer wie und warum das Übel eigentlich angerichtet hat, obwohl das doch die Voraussetzung für eine rationale Konfliktlösung wäre.

Am 3. Februar reagierte die russische Regierung und schloss das Moskauer Büro der „Deutschen Welle“, verbot den Sender und entzog seinen 21 Mitarbeitern die Akkreditierung. Im Eifer des Nachrichtengefechts ließ die „Tagesschau“ die Maske fallen: Mit dem Sendeverbot gegen die „Deutsche Welle“ „reagiert Moskau offenkundig auf das Ausstrahlungsverbot des deutschsprachigen Ablegers seines Staatssenders ‚RT‘. Zentraler Vorwurf der deutschen Behörden war, ‚RT DE‘ verbreite im Auftrag Moskaus Verschwörungstheorien und Desinformationen.“

Hoppla, soviel hemmungslose Offenheit über den tatsächlichen Verbotsgrund war dann aber wohl doch nicht im Sinne der Redaktionsleitung und ihrer Gönner in Berlin. Die wiederholte beweislose Bezichtigung, „RT DE“ verbreite im Auftrag Moskaus Falschinformationen, wirkte außerdem gar zu fadenscheinig. Nur zwei Stunden später stülpte denn auch Atlantikbrücken-Moderator Ingo Zamperoni der verräterischen und dürftigen Begründung die Tarnkappe eines legalen Behördenbescheids über: Das Verbot sei unumgänglich gewesen, weil „RT DE“ keine Sendelizenz habe.

Unterm Scheinheiligenschein

Diese Behauptung wird nun gebetsmühlenartig wiederholt und über alle verfügbaren Rohre verbreitet, auch über die „Tagesschau“. Unsere Qualitätsjournalisten verhehlten in schöner Einigkeit mit ihren politischen Gönnern einfach, dass das von Moskau aus sendende „RT DE“ zwar keine deutsche, wohl aber eine in Europa – und damit auch in Deutschland – gültige serbische Sendelizenz hat. Sie wurde, wie vielmals dargelegt, von der Regierung in Belgrad im Rahmen der europäischen „Übereinkommen für das grenzüberschreitende Fernsehen“ erteilt.

Dass Serbien das Recht zur Lizenzvergabe hat, lässt sich nicht bestreiten. Deshalb griffen die Beamten der deutschen Landesmedienanstalten in die juristische Trickkiste, um dennoch gegen „RT DE“ losschlagen zu können: Sie entschieden eigenmächtig, die medienrechtliche Verantwortung für die „RT DE“-Sendungen liege nicht beim Antragsteller „RT“ in Moskau, sondern in Berlin-Adlershof. Absurder kann man kaum daherreden. Vergleichbar abwegig wäre die Behauptung, die redaktionelle Verantwortung für Beiträge des ARD-Studios in Moskau liege bei dessen Leiter in Russland und nicht beim Chefredakteur „ARD-aktuell“ in Hamburg.

Die deutschen Medienbehörden biegen sich die Argumente zurecht, um den Russen eins auszuwischen. Dabei tun sie so, als sei ihr Schlag gegen „RT DE“ ohne enge Abstimmung mit der Bundesregierung erfolgt, speziell ohne Beteiligung des Außenministeriums. Als seien Verbotsverfügungen gegen einen ausländischen Sender das tägliche Brot deutscher Amtsstubenbewohner.

Logisch, dass die federführende Medienanstalt Berlin-Brandenburg, MABB, jetzt nicht einräumt, auf Weisung aus dem Baerbock-Ministerium gehandelt zu haben. Dessen Herrschaften wollten unbedingt auf unbeteiligt machen. Der Schein (landes-)medienrechtlicher Legalität sollte gewahrt werden. Die Begründung, weshalb sich die MABB jedoch weigert, Akteneinsicht zu gewähren, lässt das genaue Gegenteil erkennen: „(D)as Bekanntwerden des Inhalts der Verfahrensakte würde dem Wohle des Bundes schwerwiegende Nachteile bereiten. Es ist wahrscheinlich, dass eine Veröffentlichung des Inhalts der Verfahrensakte zu gewichtigen diplomatischen Spannungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Russland führen würde.“

Dafür, dass das demokratische Mäntelchen der staatlich geschützten Meinungsmacher nicht bekleckert wird, sorgt unser ebenso aufgeblähtes wie ineffektives Parlament. Dessen Abgeordnete lassen sich bei Kleinen Anfragen von der Bundesregierung schon mal mit Antworten abspeisen, die nach Propaganda statt nach Fakten schmecken: Bei „RT DE“ handle es sich um „einen der maßgeblichen Akteure eines komplexen Netzwerkes, das im Auftrag staatlicher russischer Stellen deren Narrative“ verbreite, um den „politischen Willensprozess in Deutschland zu beeinflussen“.

Böse Netzwerker sind demnach die anderen, speziell die Russen. Die Bundesregierung ist hingegen Mitglied im Kaffeekränzchen EU EAST STRATCOM, und falls wirklich jemand behauptet, dass das ein Netzwerk sei, dann ist es immerhin ein gutes, das unsere Demokratie verteidigt und dem Ausland sogar etwas von unseren freiheitlichen Informationen abgibt. Es wurde deshalb schon vor sieben Jahren gegründet, gleich nach dem aus Washington gesteuerten und finanzierten Staatsstreich in der Ukraine und dem Ausbruch der Maidan-Freiheit. Aufgabe: Es soll als Gegengewicht zu offiziellen russischen Mitteilungen fungieren.

Die EU EAST STRATCOM TASK FORCE, so der vollständige Name dieser Einsatzgruppe, soll nach eigener Definition „kreative Informationen“ im Gebiet der EU-geführten Östlichen Partnerschaft verbreiten und dafür „neue Strategien und Methoden“ entwickeln. Die TASK FORCE ist demnach für die antirussische Agitprop der EU bei den Anrainerstaaten Russlands zuständig.

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„DW Nachrichten“ – meistens nur platte Propaganda. (Foto: DW)

Die „Deutsche Welle“ ist exakt das, was man gemeinhin unter Staatsfunk versteht: Der weitaus überwiegende Anteil ihres Haushalts von 400 Millionen Euro wird vom Bundesfinanzminister aus Steuermitteln bereitgestellt und der „Deutschen Welle“ von Kulturstaatsministerin Claudia Roth angewiesen. Der Sender ist zwar formal eine öffentlich-rechtliche Anstalt, wird aber faktisch vom Staat kontrolliert, trotz aller Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die das verbieten. Nach dessen Urteil dürfen den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zwar noch einige staatliche oder staatsnahe Vertreter angehören, allerdings liegt deren Quorum bei höchstens einem Drittel. Bei der „Deutschen Welle“ sitzen im siebenköpfigen Verwaltungsrat drei Staatsrepräsentanten (jeweils ein Vertreter des Bundestags, des Bundesrats und der Bundesregierung). Im Rundfunkrat geht die Regelüberschreitung sogar noch weiter: Sieben der 17 Mitglieder werden von Bundestag (2), Bundesregierung (3) und Bundesrat (2) benannt. Nur von fünf Mitgliedern lässt sich zweifelsfrei sagen, dass sie zumindest formal nichts mit dem Staat oder mit seinen Kirchen zu schaffen haben. Die „Deutsche Welle“ ist de facto ein Staatssender.

Dass Russland mit dem Verbot der „Deutschen Welle“ unverhältnismäßig reagiert habe ist ein weiterer Irreführungsversuch, dem auch die „Tagesschau“ Vorschub leistet. Wieder wird der böse Russe an die Wand gemalt: „Unabhängiger Journalismus wird in Russland immer weiter zurückgedrängt“, behauptet Demian von Osten, ein in Moskau aktiver ARD-Korrespondent. Es gehört schon eine Menge Dreistigkeit dazu, das russische Programm der „Deutschen Welle“ als Ausdruck von Unabhängigkeit auszugeben. Intendant Peter Limbourg, vormals NATO-Korrespondent und erfahrener russophober Feindbildpfleger, hatte bereits anno 2014, als er vom Springer-Konzern kommend gerade sein Amt als Intendant angetreten hatte, unter dem Beifall von CDU-Abgeordneten geprahlt, er werde die „Deutsche Welle“ zum „Anti-Putin-Sender“ ausrichten.

Es liegt ganz auf der transatlantischen Agitprop-Linie, „RT DE“ als „Putins Propagandasender“ verächtlich zu machen, obwohl er zwar (wie die „Deutsche Welle“) aus Steuermitteln finanziert wird, aber als Privatkonzern organisiert ist. Es ist bezeichnend unredlich, ihm Desinformation und Falschnachrichten vorzuwerfen, ohne dafür handfeste Nachweise zu führen. Oder Verfassungsschutzspitzel auf ihn anzusetzen und damit zu unterstreichen, welch geringen Wert die deutsche Regierung dem Recht auf abweichende Meinung und dem Anspruch auf Zugang zu umfassender Information beimisst.

Dass umgekehrt die „Deutsche Welle“ keinen professionellen Journalismus pflegt, sondern sich ähnlich wie das „ARD-aktuell“-Studio in Moskau auf Missionsreise im Auftrag des verkommenen „Wertewestens“ befindet, machen nicht nur Limbourgs Kraftsprüche deutlich. Es ist für die kritische deutsche Öffentlichkeit längst kein Geheimnis mehr.

In Russland kam ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss zu dem Ergebnis, dass die „Deutsche Welle“ im Sommer 2019 ihr Publikum zur Teilnahme an nicht genehmigten Protesten und illegalen Aktionen zur Störung der Wahlen aufgerufen habe. Schon damals war im Gespräch, die „Deutsche Welle“ wegen ihrer Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands rauszuwerfen. Wider Erwarten wahrte die russische Regierung ihre erstaunliche Langmut.

Zweifellos gilt: Wer ausländische Sender abschalten will, setzt sich meistens selbst ins Unrecht. Es ist allerdings ganz und gar nicht egal, wer aus welchen Gründen in einem bilateralen Konfliktfall damit angefangen hat. Das waren diesmal unsere böswilligen Berliner Politdarsteller. Ihr ebenso widerrechtliches wie wirkungsloses und deshalb stupides Verbot des Senders „RT DE“ zeigt, dass mindestens zwei ihrer drei Fraktionen an der deutschen Krankheit leiden, lustvoll-heldisch auf die Schnauze zu fliegen.

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"Baerbock im deutsch-russischen Porzellanladen", UZ vom 18. Februar 2022



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