Im hessischen Landtagswahlkampf sprechen die bürgerlichen Parteien über alles Mögliche – nur nicht über den Krieg

Beredtes Schweigen

Wohnung, Lebensmittel, Mobilität – das alles wird immer teurer. Die Hauptursachen sind die Sanktionen, die auch die Bundesregierung gegen andere Länder verhängt, der Krieg in der Ukraine, den auch die Bundesregierung immer weiter anheizt, und die Preisaufschläge, mit denen sich viele Großunternehmen gerade goldene Nasen verdienen. Das und die drohende Gefahr einer Ausweitung des Krieges in der Ukraine, der schnell zu einem regionalen Krieg inklusive des Einsatzes von Atomwaffen eskalieren kann, bestimmen das Leben der Menschen in Hessen. Und das sind die Punkte, von denen im Landtagswahlkampf auffällig wenig zu hören ist. Die Aufrüstung der Bundeswehr wird am Ende von den Menschen bezahlt werden. Vor allem AfD, FDP und CDU fordern in Hessen striktere Sparmaßnahmen. Alle anderen sind einverstanden. Von der Linkspartei gab es im Landtag den Einwand, dass zu viel Sozialkürzungen den sozialen Zusammenhalt gefährden. Zum Krieg der NATO gegen Russland, zu Aufrüstung und Eskalationspolitik aber auch von dort kein Wort.

Sicher, das sind keine klassischen landespolitischen Themen. Und dennoch: Kassel ist eine der deutschen Rüstungsschmieden, der Frankfurter Flughafen ist neben den Häfen in Hamburg und Bremen die wichtigste Drehscheibe für Militärgerät und Soldaten. Das Hauptquartier der US-Armee in Wiesbaden befehligt nach eigenen Angaben 41.000 US-Heeressoldaten. Von Wiesbaden aus werden jedes Jahr über sechzig Manöver des US-Heeres in mehr als 75 Ländern mit über 80.000 Beteiligten kommandiert. Damit hat der Standort Wiesbaden eine ebenso große militärische Bedeutung wie das Hauptquartier der US-Luftwaffe in Europa, Ramstein. Beide Kommandostellen haben denselben Status als nachgeordnete Behörde von EUCOM beziehungsweise AFRICOM in Stuttgart. Zusätzlich wird die hessische Landeshauptstadt die Kommandozentrale für US-Hyperschallraketen. Das sind Raketen, die für einen militärischen Enthauptungsschlag gegen Russland geeignet und gedacht sind. Sobald diese in Deutschland oder woanders in Europa in Stellung gebracht werden, ist Wiesbaden Angriffsziel erster Güte. Obendrein ist in Wiesbaden auch das International Donor Coordination Center (IDCC) angesiedelt. Das ist die wichtigste Logistikzentrale, die aktuell den Fluss von Rüstungsgütern in die Ukraine koordiniert.

Mit der Deutschen Bank und der Commerzbank sitzen die beiden wichtigsten deutschen Banken für die weltweite Produktion von Nuklearwaffen in Frankfurt. Die Commerzbank hat insgesamt über 5 Milliarden US-Dollar in Nuklearwaffen investiert, bei der Deutschen Bank sind es über 14 Milliarden US-Dollar. Lässt man die US-Banken außen vor, ist die Deutsche Bank damit weltweit Atomwaffen-Top­investorin. Von Hessen geht Krieg aus, er wird hier vorbereitet, koordiniert und es wird auch hier an ihm verdient.

Keine Landesregierung wird daran etwas ändern. Alle Koalitionsvarianten werden die Aufgabe haben, den bisherigen Weg im Interesse der Großkonzerne und Kriegsgewinnler fortzusetzen. Dafür wird an Schulen, Kitas, im Gesundheitswesen, am ÖPNV, Umweltschutz, an Frauenhäusern und vielem mehr gespart werden müssen. Dafür braucht es die Schuldenbremse und „ausgeglichene Haushalte“. Darüber zu sprechen, aufzuklären und zu helfen, den Widerstand zu organisieren, ist die Hauptaufgabe des Landtagswahlkampfs der DKP in Hessen.

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"Beredtes Schweigen", UZ vom 8. September 2023



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