Das Hurra ist alle: „Golem“ von Tarek ist der erste Solo-Langspieler eines K. I. Z.lers

Berlin langärmelig und langärmlich

Elron Habbert

Egentlich sollte „Golem“ schon Mitte des Dezember rauskommen. Genauer, am 13.12., dem internationalen „All Cops Are Bastards“-Tag, an welchem des nicht vorhandenen Ehestands der Eltern von Polizistinnen und Polizisten gedacht wird.
Das Album von Tarek, seines Zeichens 25 Prozent der Berliner Rap-Combo K. I. Z., hätte auch nicht zu diesem Tag gepasst. Es ist das erste Mal, dass einer der „Kannibalen in Zivil“ eine Solo-LP veröffentlicht. Und es steht weit ab vom aufrührerischen „Hurra, die Welt geht unter“ (Vertigo 2015).

Tareks „Golem“, ein der jüdischen Mystik entstammender, mächtiger Prager Befehlsausführer aus Lehm, vermittelt wenig Kämpferisches. Zeilen wie: „Sag‘ der Bildzeitung, dass sie mir einen lutschen kann“, sind auf „Golem“ selten.
Vielmehr stellt er den Weltausschnitt Berlin als Atmosphäre vor. Tarek mag im Musikvideo zu „Nach wie vor“ noch so sehr an den K. I. Z.-Pöbeleien auf mittelschwerem Skandalniveau anknüpfen wollen, indem am Ende reißerisch der AfD-Parteivorstand zermetzelt wird. Die Autotune-lastigen Songs auf „Golem“, das weitgehende Fehlen vom kannibalischem Wortwitz und die karge Instrumentierung raten weniger dazu, „Golem“ auf der Party anzuspielen, als vielmehr auf dem Weg von der Party nach Hause und dann am Sonntag damit den Kater besiegen.

Tareks Themen sind auf den ersten Blick Privatheiten: „Letzte Chance“ erzählt vom schlägernden Arschlochstiefvater: „Sie trägt langärmelig/denn alles ist blau/bald bin ich groß genug und dann halt ich ihn auf“. „Frühlingstag“ setzt dem leiblichen Vater ein Monument, den Tarek der Krebs weggenommen hat.

Gegen das, was schiefläuft, helfen die Optionen: dagegen aufbäumen („Wenn du stirbst“), sich damit arrangieren („Kaputt wie ich“), oder fliehen („Ticket hier raus“). Tarek verweist auf alle drei als mehr oder weniger gleichwertige Aussichten auf mehr oder weniger Besserung. Jede Lösung ist die gleiche, halbgare, scheinbare – der Dynamik des Albums ist das nicht gerade zuträglich.

Dabei verweisen die Fragen nach Drogenkonsum, Gewalt, Wahnsinn und Stadtkälte auf das, was K. I. Z. selbst ausmacht: der beschissene Ist-Zustand, die Armut und die soziale Tristesse sind Stoff. Tarek steht mit „Golem“ aber nicht humoresk drüber, sondern mitten drin in der Scheiße: „Wir zwei können erst etwas fühlen, wenn/um uns alles niederbrennt“ heißt es in der Hook von „Liebe“.

Einen eleganten Ausfallschritt macht „Nubischer Prinz“. Der Song kriegt nicht nur durch die Zuarbeit von Miss Platnum mehr Tempo und überlegenen Humor: „Am Abend schwärmen sie von seiner Haut/Sie machen sich an den Nubier ran/Ja, er hat halt mehr als eine Frau/Doch ist er auch viel mehr als nur ein Mann.“

Ansonsten bleibt „Golem“ aber in seiner Grundhaltung düster und resigniert. Kein Album also für alle Lebenssituationen, für manche aber ganz besonders.


Tarek K. I. Z.
Golem
Warner Music 2020
CD: 16,99 Euro, Download: 10,99 Euro, Vinyl: 21,99 Euro

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"Berlin langärmelig und langärmlich", UZ vom 7. Februar 2020



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