Tarifabschluss bei der Arbeiterwohlfahrt – Konflikt um Überstundenzuschläge

Blockade durchbrochen

Von Werner Sarbok

Nach drei Warnstreiktagen konnte ver.di am 7. März eine Tarifeinigung für die etwa 65000 Beschäftigten bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in NRW erreichen. Ziel war nicht zuletzt die Angleichung an die Bezahlung des öffentlichen Dienstes. Mit dem Abschluss ist dieses Ziel zwar nicht erreicht, aber man sei ihm zumindest nähergekommen, war aus Kreisen der Verhandlungskommission der Gewerkschaft zu hören.

Die Einkommen werden um 3,2 Prozent ab dem 1. Januar 2019, um weitere 3,6 Prozent ab dem 1. April 2020 und um weitere 0,8 Prozent ab dem 1. Dezember 2020 erhöht. Die Laufzeit des Vertrages beträgt 26 Monate. Für die Auszubildenden wurde eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung von jeweils 50 Euro zum 1. Januar 2019 und 2020 vereinbart. Für die ver.di-Mitglieder gilt eine Vorteilsregelung: Sie erhalten in den Jahren 2019 und 2020 je einen freien bezahlten Tag.

„Mehr war wohl diesmal nicht herauszuholen“, kommentierte eine Kollegin aus einem AWO-Seniorenzen­trum gegenüber der UZ. „Natürlich haben wir gut mobilisiert für die Aktionen von ver.di, aber die Arbeitgeber konnten natürlich einplanen, dass wir die Seniorenzentren nicht bestreiken würden. Die Personaldecke ist ja dermaßen auf Kante genäht, dass kaum jemand hätte die Arbeit niederlegen können, ohne dass es sich direkt auf die Bewohner ausgewirkt hätte.“

Bei den Kitas und im Bereich der Offenen Ganztagsschule sah das anders aus. Ein großer Teil der Einrichtungen wurde bestreikt. Die Gewerkschaft hatte für Verständnis bei den betroffenen Eltern geworben und stieß dabei auf großes Verständnis für die Streiks. Die hohe Streikbeteiligung der Kolleginnen und Kollegen aus dem OGS-Bereich zeigte Wirkung. „Die seit drei Tarifrunden andauernde Blockade der Arbeitgeber ist gebrochen. Der Einstieg in die Angleichung an die Bezahlung im Kita-Bereich wird im Jahr 2019 endlich geschafft“, bilanzierte ver.di. Pädagogische Fachkräfte sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, erhalten ab dem 1. August 2019 bis zum Inkrafttreten einer Entgeltordnung eine Zulage in Höhe von 90 Euro monatlich. Die Erzieherinnen in der praxisintegrierten Ausbildung (PiA) erhalten rückwirkend zum 1. Januar 2019 monatlich mehr als 1 000 Euro Ausbildungsvergütung.

Zum Schluss der Verhandlungsrunde lehnten es die AWO-Arbeitgeber kategorisch ab, das Tarifwerk der AWO NRW bezüglich der Bezahlung des Überstundenzeitzuschlages an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes anzupassen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat Ende 2018 entschieden, dass ein Anspruch auf diese Zuschläge auch dann besteht, wenn die Mehrarbeit die Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit nicht überschreitet. Der 10. BAG-Senat änderte damit seine bisherige Rechtsprechung.

Die AWO-Arbeitgeber zeigten sich von der Rechtslage unbeeindruckt. Die meisten Beschäftigten in den sozialen Dienstleistungen der AWO sind Teilzeitbeschäftigte. Die große Mehrheit sind Frauen. Viele von ihnen arbeiten aus persönlichen Gründen in Teilzeit. Ein wachsender Anteil jedoch würde gerne in Vollzeit arbeiten, bekommt von der AWO aber nur Teilzeit angeboten.

Die Arbeitgeber zeigten sich nur bereit, das Tarifwerk zu ändern, wenn der Zeitzuschlag reduziert oder ver.di an anderer Stelle auf Ansprüche von Beschäftigten verzichtet. Der Preis für ein solches „Geschäft“ war ver.di angesichts einer Selbstverständlichkeit zu hoch, die Gewerkschaft stellt fest: „Damit gibt es für die Teilzeitbeschäftigten in den tarifabhängigen AWO-Unternehmen nur noch eine einzige Option, um zu ihrem Recht zu kommen, nämlich die individuelle Klage beim Arbeitsgericht.“ Weiter heißt es: „Einen Tag vor dem Internationalen Frauentag ist die sture Haltung der Arbeitgeber ein Schlag ins Gesicht der teilzeitbeschäftigten Frauen. Ihnen zwingt die AWO damit eine Rechtsauseinandersetzung auf, die sich die meisten gerne ersparen würden.“

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"Blockade durchbrochen", UZ vom 15. März 2019



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