Kommunalpolitischer Ratschlag der UZ tagte in der Karl-Liebknecht-Schule

Die Welt in einer Nussschale

Welche Bedeutung hat Kommunalpolitik für die DKP? Was unterscheidet unsere Kommunalpolitik von der anderer Parteien? Wie findet man als Neuling in die Kommunalpolitik hinein?

Diese und ähnliche Fragen standen im Mittelpunkt des Tagesseminars Kommunalpolitik am 21. Januar in der Karl-Liebknecht-Schule der DKP in Leverkusen. Zu dem Seminar hatte der Kommunalpolitische Ratschlag der UZ-Redaktion eingeladen. Dem Ruf folgten junge und alte Genossinnen und Genossen, aktive Kommunalpolitiker und völlige Neulinge. Die UZ-Redakteure Werner Sarbok und Vincent Cziesla moderierten das Seminar.

Den Aufschlag machte Patrik Köbele mit seinem Referat „Die Bedeutung der Kommunalpolitik auf dem Parteitag der DKP im März 2023“. Der Vorsitzende der DKP sieht Kommunalpolitik als zentrales Feld des Klassenkampfes. Die Kommunen bekämen immer neue Aufgaben übertragen, die jedoch von Bund und Ländern nicht finanziert würden. Kommunale Betriebe würden nicht zufällig privatisiert, Leistungen nicht zufällig gestrichen, Einrichtungen nicht zufällig geschlossen. Die immense Verschuldung der Kommunen sei gewollt, so Köbele. Sie sei eine „gezielte Form des Klassenkampfs von oben“. Aufgabe der Kommunisten sei es, die Zusammenhänge zwischen klammen Kassen der Kommunen und den hunderten Milliarden Euro, die der Staat Jahr für Jahr an Rüstungsindustrie und große Monopole überweise, herzustellen. Mandate in Kommunalparlamenten könnten dafür nützlich sein, seien aber weder Dreh- und Angelpunkt noch notwendig, um kommunalpolitisch aktiv zu werden. Vielmehr gehe es für Kommunisten darum, gemeinsam mit Betroffenen zu kämpfen.

Köbele ging auch auf Kritik an dem Antrag „Heizung, Brot und Frieden“ ein, mit dem sich der 25. Parteitag der DKP im März dieses Jahres befasst. Der Antrag räumt der Kommunalpolitik als zweitem Standbein des Klassenkampfes hohen Stellenwert ein. Einige Kritiker befürchteten, das könne auf Kosten des ersten Standbeins gehen, des gewerkschaftlichen Kampfs in den Betrieben. Andere kritisierten, der Antrag beschreibe die Aufgaben kommunistischer Kommunalpolitik nicht konkret genug. Köbele hofft auf angeregte Debatten zu diesem Antrag. Abschließend bat er alle aktiven Kommunalpolitiker der DKP, ihre Erfahrungen in die Diskussionen einzubringen.

Der anschließende Erfahrungsaustausch zeigte vor allem, wie ähnlich sich die Probleme sind, mit denen sich aktive Kommunalpolitiker in ganz unterschiedlichen Kommunen konfrontiert sehen. Zunächst müsse es darum gehen, Menschen überhaupt erst zu befähigen, wieder für ihre eigenen Interessen zu kämpfen, stellte Siw Mammitzsch fest. Die Essenerin hat die Erfahrung gemacht, dass selbst das heute schon ein Problem ist. Früher sei das leichter gewesen, befand Jürgen Köster aus Wuppertal. Er hatte zur Kommunalpolitik gefunden, weil ihm alte Genossen die „dialektische Einheit zwischen Klassenkampf und der Arbeit vor Ort“ vermittelten. Heute seien viele Menschen eingeschüchtert, meinte Sarbok, sie hätten ihr Selbstvertrauen verloren.

Als wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Kommunalpolitik nannte Köster eine konsequente Bündnispolitik. In vielen Kommunalparlamenten arbeiten Kommunisten zusammen mit Mitgliedern der Partei „Die Linke“. Wie gut das jeweils klappt, hängt am Bewusstseinsstand der PdL-Mitglieder vor Ort. Die Linkspartei sehe sich als „Vermittler“ zwischen Bürgern und Behörden, erklärte Werner Sarbok. Kommunistische Kommunalpolitik sei hingegen eingebettet in die antimonopolistische Strategie der DKP. So müsse die Strategie der DKP sein, Konzernwohnungen in kommunales Eigentum zurückzuverwandeln. „Sozialwohnungen zu fordern ist richtig, aber nicht die Lösung.“

Kommunalpolitik kann als „entscheidender Hebel“ gegen antikommunistische Ressentiments fungieren, meinte Patrik Köbele. Entscheidend sei dabei der enge Kontakt mit Menschen vor Ort. Das bestätigte Vincent Cziesla: „Man wird als Kommunist mit anderen Augen betrachtet in der Stadt, wenn man im Parlament sitzt und bekannt ist.“ Auch Martina Lennartz aus Gießen freute sich über „unglaublich viel Zuspruch“ von Bürgern.

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Konzentriertes Arbeiten in den renovierten Räumen der Karl-Liebknecht-Schule (Foto: Werner Sarbock)

Nicht immer spiegeln Wahlergebnisse diesen Zuspruch wider. Und selbst Jahrzehnte erfolgreicher und sichtbarer Kommunalpolitik führen nicht automatisch dazu, dass die Parteigliederung vor Ort wächst und stärker wird. Die verbesserte Akzeptanz in der Stadtgesellschaft sieht Carol Schröder aus Bottrop auch. Die Frage, ob Aufwand und Nutzen dabei in einem vertretbaren Verhältnis zueinander stünden, bleibe aber. Cziesla kritisierte die Vorstellung, kommunalpolitisches Engagement sei eine Abkürzung hin zu einer größeren Parteigruppe. In Neuss sei die Partei aber gewachsen und jünger geworden, was zum Teil an ihrer Kommunalpolitik liege. Einen realistischen Anspruch an sich selbst forderte auch eine Teilnehmerin aus Essen. Man müsse nicht immer mit großen Aktionen anfangen. Wichtig sei, die Probleme eines Stadtteils zu erfassen und mit Menschen darüber ins Gespräch zu kommen: „Wir machen Politik da, wo wir wohnen und arbeiten.“ Menschen ließen sich mit konkreten Forderungen mobilisieren. Viele ließen sich ihrer Erfahrung nach nur noch auf Ein-Punkt-Bewegungen ein. „Wer täglich um die Existenz kämpft, hat keine Kapazitäten für politische Arbeit.“ Siw Mammitzsch riet zu einer Schwerpunktsetzung, um „sich selbst nicht zu verbrennen“.

Als wichtigsten Schwerpunkt ihrer Arbeit benannten die Seminarteilnehmer unisono die Frage nach bezahlbarem Wohnraum für alle. Überhaupt eignen sich Fragen der öffentlichen Daseinsfürsorge besonders gut, um politisches Bewusstsein zu wecken und zu fördern. Der Mangel an Wohnraum hierzulande sei eben nicht dem Krieg in der Ukraine geschuldet, so Sarbok. „Mittlerweile kann man mit jedem Altenpfleger, jeder Krankenschwester vernünftig darüber diskutieren, dass das Geld eigentlich doch da ist.“

Ein starker Ansatzpunkt für kommunistische Kommunalpolitik ist die laufende Tarifrunde Öffentlicher Dienst. Die Verbindung zwischen Gewerkschaftspolitik und Kommunalpolitik bestehe ohnehin und sei offensichtlich, meinte Vincent Cziesla. Aufgabe der DKP sei es, die Strategie der Arbeitgeberverbände, Beschäftigte gegeneinander auszuspielen, publik zu machen und einen Weg zu finden, dagegen vorzugehen. Man müsse daher nicht nur die Beschäftigten ansprechen, sondern auch die Stadtbevölkerung mitnehmen. Gerd Dorka aus Gladbeck berichtete, er habe das Gefühl, Streikende besser durch Reden im Streikzelt zu erreichen als durch Solidaritätsschreiben. Mehrere Teilnehmer betonten, gute Kontakte zu lokalen Gewerkschaftsgliederungen seien unerlässlich.

Letzter Tagesordnungspunkt des Seminars war die kommunalpolitische Berichterstattung der UZ. Mehrere Teilnehmer kritisierten das unregelmäßige Erscheinen des Ressorts Kommunalpolitik. Damit werde die UZ der Relevanz von Politik vor Ort nicht gerecht. Dennoch fiel das Urteil des Seminars positiv aus. Vor allem Vincent Czieslas Kommunalpolitische Kolumne und seine Serie zu kommunalen Finanzen werteten die aktiven Kommunalpolitiker als sehr hilfreich für ihre Arbeit. Mehrere Teilnehmer wünschten sich mehr Beiträge über Kommunalpolitik in sozialistischen Ländern.

Teilnehmer und Referenten zeigten sich von dem Tagesseminar und den spannenden Diskussionen begeistert. Werner Sarbok erklärte, in diesem Jahr noch zwei weitere kommunalpolitische Seminare in der Karl-Liebknecht-Schule organisieren zu wollen: eines darüber, wie man Informationen zur Kommunalpolitik recherchiert, aufbereitet und erfasst, ein zweites zur Öffentlichkeitsarbeit.

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"Die Welt in einer Nussschale", UZ vom 3. Februar 2023



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