Chaos bevorzugt

Eine wachsende Zahl an Staaten und Staatenbündnissen spricht sich gegen eine militärische Intervention in Niger aus. Bei der Kolonialmacht Frankreich stößt das auf taube Ohren. „Auch die militärischen Maßnahmen der ECOWAS“ werde man „in einem partnerschaftlichen Ansatz unterstützen“, drohte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Montag auf einer Botschafterkonferenz in Paris. Frankreichs Politik in Afrika charakterisierte er so: „Weder Paternalismus noch Schwäche, weil wir sonst nirgendwo mehr sind.“ Der Kausalsatz ist ungewöhnlich ehrlich: Frankreichs Wirtschaft ist auf die Kontrolle der Rohstoffvorkommen in West- und Zentralafrika angewiesen. Wie weit eine imperialistische Macht kommt, die ohne ihre Kolonien plötzlich ganz auf sich allein gestellt ist, kann man am Beispiel Portugals studieren.

Nach dem Rauswurf seiner Soldaten aus Mali und Burkina Faso bleibt dem französischen Imperialismus nichts anderes übrig, als seine Militärbasen in Niger mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Deshalb ignoriert Macron die Kündigung der nigrisch-französischen Militärabkommen durch die Putschregierung in Niamey – die sei schließlich nicht demokratisch legitimiert. Deshalb weigert sich Macron, den französischen Botschafter Sylvain Itté aus Niamey abzuziehen. Die nigrische Militärregierung hatte Itté am 25. August aufgefordert, ihr Land binnen 48 Stunden zu verlassen. Dazu fehle den Putschisten die Autorität, hieß es aus Paris. Ein Argument, das wohl niemandem im Élysée-Palast in den Sinn kam, als man munter Militärabkommen mit Putschregierungen schloss oder Botschafter in Länder entsandte, die von Generälen regiert wurden.

Mit Dauerchaos können die imperialistischen Mächte gut leben, solange sie ‚ihre‘ Rohstoffe bekommen – prominentestes Beispiel dafür ist die DR Kongo. Es sind die Menschen vor Ort, die dafür bluten. Deswegen bemüht Algerien sich um eine diplomatische Lösung und hat Frankreich verboten, seinen Luftraum für Militäroperationen in Niger zu durchqueren. Und Mali, Burkina Faso und Niger schlossen vergangene Woche ein Militärbündnis gegen die angedrohte Aggression Frankreichs und seiner Marionetten.

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"Chaos bevorzugt", UZ vom 1. September 2023



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