Chinesische Langmut

Lars Mörking zum Treffen zwischen Xi und Trump

Wenn US-Präsident Trump und Chinas Präsident Xi Jinping sich an diesem Donnerstag und Freitag in Trumps kitschigem Winterpalast Mar-a-Lago in Florida treffen, dann werden in Taiwans Hauptstadt Taipeh einige gespannt auf das Pressekommuniqué zu dieser Besprechung warten.

Der US-Präsident hatte schon vor Amtsantritt für Unmut in Peking gesorgt, indem er am Telefon mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen plauderte. Man mag Donald Trump nachsagen, dass er nicht wusste, dass er damit das erste Gespräch eines US-Präsidenten mit Taiwans Führung seit 1979 führte. Vielleicht weiß er auch nichts von der Entstehung des Konstrukts, das sich „Republik China“ nennt und durch die endgültige Niederlage der Guomindang (KMT) im Bürgerkrieg 1949 entstand, nachdem sich Chiang Kai-shek und seine Gefolgsleute auf die Insel Taiwan gerettet hatten. So entstand eine Situation, in der die KMT nur noch auf Taiwan und einigen kleineren Inseln regierte – und auch dies nur durch ausländische Unterstützung, vor allem der USA –, aber Anspruch auf ganz China erhob, während Peking Taiwan weiterhin als einen Teil Chinas betrachtete, den es noch zu befreien galt. Zu denjenigen, die den verwegenen Plan, das chinesische Festland unter die Kontrolle der taiwanesischen Übergangsverwaltung zu bringen, zugunsten einer Agenda der Unabhängigkeit Taiwans von der VR China aufgegeben haben, gehört auch die jetzige Präsidentin Tsai Ing-wen. Aber diese Unabhängigkeit von der VR China ist nur durch Abhängigkeit von den USA zu erreichen.

Mit einem US-Präsidenten Trump, der zwar von chinesischer Geschichte nichts wissen will, der aber hier und da angedeutet hat, dass ihm bewusst sei, dass nicht Russland die globale Dominanz des US-Imperiums bedroht, sondern dass vielmehr China mit langen Schritten auf dem Marsch sei, den USA den Rang abzulaufen. Das bedeutet, dass „America first“ nicht mehr überall und jederzeit durchzusetzen ist.

Im Lager der taiwanesischen Unabhängigkeitsbefürworter hat Trump jedenfalls eine Art „Jetzt oder nie!“-Stimmung ausgelöst. Fast täglich veröffentlicht die Zeitung „Taipei Times“ Kommentare, die dazu aufrufen, keine weiteren Abkommen mit der VR China zu schließen und Investitionen vom Festland abzuziehen. So warnt Leung Man-to von der Cheng-Kung-Nationaluniversität vor der Kooperation mit Universitäten auf dem Festland. Studenten aus der Volksrepublik agierten als Spione und versuchten, taiwanesische Regierungsmitarbeiter zu rekrutieren. Die ökonomische Kooperation sei der Versuch, Taiwans wirtschaftliche Unabhängigkeit zu zerstören. In einem Artikel wird die „Ein-China-Politik“ als Kokon bezeichnet, der Taiwan bisher gefangen gehalten habe.

Die Unabhängigkeitsbefürworter wollen also mit Trumps Rückendeckung wieder das werden, was sie einmal waren: die schöne Insel Formosa, wie sie portugiesische Seefahrer nannten. Dabei ist ihnen bewusst, dass formale Unabhängigkeit tatsächliche Abhängigkeit von den USA bedeutet. Sie riskieren einen globalen Konflikt, der in der Konsequenz militärisch ausgetragen würde. „Der Weg der Unabhängigkeit wird in der Wiedervereinigung enden“ hatte Chinas Minister für Taiwan-Fragen dazu erklärt und somit wenig Interpretationsspielraum gelassen.

Die chinesische Staatsführung hat sich gegenüber Taipeh bisher immer geduldig gezeigt, geduldiger noch als in den Verhandlungen zur Wiedereingliederung von Hongkong oder Macau. Das wissen auch die, die nach Unabhängigkeit rufen, und schüren deshalb den Konflikt. Denn die wirtschaftliche, kulturelle und letztlich auch militärische Dominanz der VR China in der Region wirkt sich immer stärker auf Taiwan aus und hat sich durch Trumps Absage an das Freihandelsabkommen TPP noch verstärkt.

Klar ist, dass die Regierung in Peking eine formelle Abspaltung Taiwans von China nicht zulassen wird. Sollte dies dem US-Präsidenten bisher tatsächlich noch nicht klar sein, Xi Jinping wird es ihm mit einem Lächeln und viel Geduld erklären.

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Über den Autor

Lars Mörking (Jahrgang 1977) ist Politikwissenschaftler. Er arbeitete nach seinem Studium in Peking und war dort Mitarbeiter der Zeitschrift „China heute“.

Mörking arbeitet seit 2011 bei der UZ, zunächst als Redakteur für „Wirtschaft & Soziales“, anschließend als Verantwortlicher für „Internationale Politik“ und zuletzt – bis Anfang 2020 – als Chefredakteur.

 

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"Chinesische Langmut", UZ vom 7. April 2017



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