Erfolg für chinesische Marsmission

Der „Gott des Feuers“ ist gelandet

In der Nacht zum 15. Mai war es soweit: Der Lander der „Tianwen-1“-Mission mit dem Marsrover „Zhurong“ (in der Mythologie des chinesischen Altertums bezeichnet „Zhurong“ den Gott des Feuers, der chinesische Name des Mars lautet „Huoxing“, was „Planet des Feuers“ bedeutet) sowie der Transportkapsel erreichte erfolgreich die Marsoberfläche. Zum ersten Mal war China ein interplanetarer Flug gelungen, erstmalig und auf Anhieb gelang auch die Landung auf einem anderen Planeten.

China hatte seine Marssonde „Tianwen-1“ am 23. Juli vergangenen Jahres gestartet. Die Sonde, die einen Orbiter, eine Landekapsel mit dem Rover sowie eine Transport- und eine Rückkehrkapsel zu unserem Nachbarplaneten transportierte, erreichte am 24. Februar die vorhergesehene Umlaufbahn um den Mars. Aufgaben der Mission sind neben Untersuchungen der Oberfläche und des Oberflächengesteins die Suche nach Eis und Erzen, die Erforschung der inneren Struktur des Planeten sowie der Ionosphäre und des „Wetters“. Für 2029/30 ist eine Rückholmission geplant, mit der Bodenproben vom Mars auf die Erde gebracht werden sollen. In dieser Hinsicht haben die chinesischen Raumfahrtspezialisten bereits Erfahrung: Ende 2020 gelang es ihnen, Mondgestein zur Erde zurückzubringen. Gleichzusetzen sind beide Missionen allerdings nicht. Denn die Schwerkraft auf unserem Nachbarplaneten stellt andere Anforderungen: Während Menschen auf der Erde aus dem Stand durchschnittlich bis zu einem halben Meter hoch springen können, wären das auf dem Mond drei und auf dem Mars ein Meter. Zudem ist der Weg zurück zur Erde wohl doch etwas weiter …

Aber auch Landungen auf dem Mars sind schwierig. Erfahrungen, die bei der geglückten Rückkehr von Raumschiffen oder Sonden zur Erde gewonnen wurden, konnten und können nur bedingt für Landeversuche auf dem „Roten Planeten“ genutzt werden: Die Dichte der Atmosphäre des Planeten ist weit geringer als die der Erdatmosphäre und gelegentlich toben auf der Mars­oberfläche heftige Stürme. So geriet 1971 der Lander der sowjetischen „Mars 3“-Sonde in einen Sandsturm und ging verloren. Bislang gelangen allein den USA erfolgreiche Landungen auf unserem Nachbarplaneten.

Früher Beginn

Mittlerweile gehört die Volksrepublik China zu den großen Raumfahrtnationen. Jan Wörner, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften und Ex-Chef der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, meint, die USA seien aktuell immer noch die führende Weltraumnation – doch bei der astronautischen Raumfahrt sei China mittlerweile die Nummer 2. In Sachen Erdbeobachtung – so durch Satelliten – stehe Europa wiederum auf dem zweiten Platz. Die Chinesen hätten ein ehrgeiziges Weltraumprogramm vorgelegt und verfolgten mehrere Ziele gleichzeitig: Mond, Mars und Aktivität im Erdorbit. „Man kann nur einfach sagen: Es ist beeindruckend.“ China beeindrucke ihn, so Wörner laut „inforadio“, mit seinen langfristig geplanten Schritten, die auch konsequent abgearbeitet würden.

Dabei war das offenbar nicht immer so, zumindest nicht in allen Bereichen. Bereits am 8. Oktober 1956 wurde in der Volksrepublik China das „5. Forschungsinstitut des Verteidigungsministeriums“ gegründet, in dem man damals an militärischen Raketen auf der Grundlage sowjetischer Technologie arbeitete. Im Mai 1958 folgte – unter dem Eindruck des Starts von „Sputnik 1“ – ein formeller politischer Beschluss zur Initiierung eines eigenen Raumfahrtprogramms. Nach 1960 entwickelte China dann Raketen auf eigener Grundlage weiter. 1960 wurde die erste Kurzstrecken-, 1964 die erste eigene Mittelstreckenrakete der Volksrepublik gestartet. Parallel dazu wurden zivile Höhenforschungsraketen entwickelt. Chinas erste Weltraumrakete war die auf der ersten eigenständig entwickelten Mittelstreckenrakete basierende dreistufige Trägerrakete „Langer Marsch 1“ („Changzheng 1“). Ihr erster Start am 16. November 1969 dauerte 69 Sekunden bis zum Absturz. Der erste chinesische Satellit konnte am 24. April 1970 erfolgreich gestartet werden. Die erste erfolgreiche Rückholaktion eines Satelliten gelang 1975.

Erste Pläne für ein bemanntes chinesisches Weltraumprogramm gab es seit 1966. Doch Planung wie Umsetzung scheiterten in den 1970er Jahren aufgrund innenpolitischer sowie vor allem auch ökonomischer Gründe. Erst 1992 erfolgte ein neuer und, wie man seit Jahren beobachten kann, sehr erfolgreicher Anlauf. Die Arbeit am bemannten Raumfahrtprogramm der Volksrepublik China wurde im September 1992 („Projekt 921“) aufgenommen. Elf Jahre später war es soweit: Am 15. Oktober 2003 startete das Raumschiff „Shenzhou 5“ mit Yang Liwei an Bord. Der zweite bemannte Raumflug mit zwei Taikonauten an Bord („Shenzhou 6“) erfolgte am 12. Oktober 2005. Am 25. September 2008 startete „Shenzhou 7“ mit drei Taikonauten, während der Mission gab es den ersten chinesischen Weltraumausstieg. Seitdem konzentrierte man sich in der bemannten Raumfahrt zunächst auf die Entwicklung und den Bau einer eigenen Raumstation im Erdorbit. Wohl auch, weil China – wegen eines Vetos der USA – nicht an der Internationalen Raumstation ISS beteiligt sein kann.

Im Gegensatz zu den Plänen zur bemannten Raumfahrt wurden Satellitenstarts aber auch nach 1970 weiter vorangetrieben. Doch erst 1988 startete der erste Wettersatellit Chinas; im April 1990 war mit „AsiaSat1“ auch eine erste kommerzielle Mission erfolgreich. Die inzwischen über 400 chinesischen Satelliten, von denen einige auch mit anderen Raumfahrtländern beziehungsweise der ESA gemeinsam entwickelt oder betrieben werden, dienen der Erdbeobachtung und Fernerkundung der Erde, der Wetterbeobachtung, der Navigation, Kommunikation oder Forschung, aber auch der Landesverteidigung.

Das ambitionierte langfristige Mondprogramm begann 2007 mit einem unbemannten Orbiter. Erfolgreich verliefen bislang die Missionen „Chang’e 1“ bis „Chang’e 5“. Auf dem Mond operieren derzeit die Mondrover „Chang’e 3“ sowie „Chang’e 4“. Mit „Chang’e 4“ gelang es erstmals in der Geschichte der Raumfahrt, einen Rover auf der Rückseite des Mondes abzusetzen. Ende 2020 landete „Chang’e 5“ auf der der Erde zugewandten Seite unseres Trabanten. Die Besonderheit daran? Zum ersten Mal gelang eine autonome Kopplung einer vom Mond aus mit Gesteinsproben gestarteten Transportkapsel mit dem Orbiter. Am 16. Dezember 2020 landete die Wiedereintrittskapsel mit den Bodenproben in der Inneren Mongolei.

Auch in den nächsten Jahren konzentrieren sich die chinesischen Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker noch auf unbemannte Raumflüge zum Mond. Doch man hat viel weitergehende, große Ziele.

Langfristige Planung und ehrgeizige Ziele

Die langfristige Planung – die, wie Wörner betonte, konsequent umgesetzt wird – ist eine der Stärken des chinesischen Raumfahrtprogramms, eine andere die Konzentration auf wenige, aber sehr ehrgeizige Ziele: eben auf den Erdorbit, den Mond und den Mars. Zudem spielen private Raumfahrtunternehmen eine Rolle: 2019 schickte die Pekinger Firma ­iSpace eine selbstentwickelte Rakete ins All.

Die neue chinesische Raumstation auf einer Erdumlaufbahn soll Ende 2022 in Betrieb gehen. Was bemannte Flüge zum Mond betrifft, sind diese frühestens 2030 geplant. Entwickelt wird dafür unter anderem eine wiederverwendbare Landefähre.

China bereitet aber auch den Betrieb einer eigenen, ständig bemannten Raumstation auf dem Mond oder im Orbit unseres Erdtrabanten vor. Anfang des Jahres unterzeichneten Russland und China in diesem Zusammenhang eine Absichtserklärung. Die Station solle ein „Komplex von Einrichtungen für experimentelle Forschung auf der Oberfläche und/oder Umlaufbahn des Mondes“ sein und „allen interessierten Staaten und internationalen Partnern“ offenstehen. Auch auf anderen Gebieten der Raumfahrt strebt China die internationale Zusammenarbeit an: Beispielsweise wurde im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative im April 2017 in der nordwestchinesischen Stadt Xi‘an der Verband für Innovationen im Bereich Raumfahrt gegründet. Mit dem Zusammenschluss sollte eine Plattform für internationale Kommunikation und Kooperation im Bereich Raumfahrt etabliert werden.

Chinesische Gefahr?

Inzwischen erkennen auch die bürgerlichen Medien hierzulande an, dass China zu den führenden Raumfahrtnationen gehört. Vor einigen Jahren klang das noch anders. Aber auch heute noch wird krampfhaft danach gesucht, Kritisches zu finden. So sei an den Hype um abstürzende Raketenteile erinnert, den es Anfang Mai gab. Eine Rakete des Typs „Langer Marsch 5B“ brachte damals das erste Modul der neuen chinesischen Raumstation „Tiangong“ („Himmelspalast“) in eine Erdumlaufbahn. Die Überreste der Trägerrakete stürzten zurück zur Erde. Gleich hieß es in bürgerlichen Medien, das sei hochgefährlich und verantwortungslos. Ängste wurden geschürt. Bei „ntv“ titelte man am 7. Mai „China, die rücksichtslose Weltraummacht?“, relativierte dann aber die eigene Überschrift. Denn: Seit Jahrzehnten, seit Beginn der aktiven Raumfahrt, ist es ein übliches Verfahren, Objekte gezielt abstürzen zu lassen beziehungsweise passiert das auch bei solchen, die außer Kontrolle geraten. Viele Trümmerstücke verglüh(t)en in der Atmosphäre, die meisten verbliebenen Trümmer land(et)en in den Ozeanen. Insgesamt geht es um circa 100 Tonnen pro Jahr. Bisher gibt es keinen Vorfall, bei dem ein Mensch ernsthaft verletzt worden wäre.

Unvermindert aber versucht man, andere Gefahren zu beschwören, die angeblich von den Raumfahrtaktivitäten Chinas ausgehen. Seit die Volksrepublik auch die bemannte Raumfahrt erfolgreich betreibt, in anderen technisch-technologischen Bereichen sowie ökonomisch in raschen Schritten Rückstände aufholt, ja Führungspositionen übernimmt und in der Weltpolitik an Bedeutung gewinnt, wird – vor allem in den USA – behauptet, China rüste sich für „Kriege der Zukunft“.

So erklärte General Jay W. Raymond, Chief of Space Operations der US-Space Force, am 14. September 2020, wie in allen Bereichen müsse das US-Militär auf einen Konflikt vorbereitet sein. Er sprach von „neuen Bedrohungen“ durch die „Wettbewerber“ China und Russland. Raymond behauptete: „Die derzeitige russische und chinesische Militärdoktrin priorisiert neue Möglichkeiten, unsere Raumfahrtsysteme anzugreifen, um unsere gemeinsamen Land-, See-, Luft- und Cyberstreitkräfte zu Beginn des Krieges zu stören, zu blenden und zu trennen. In den vergangenen Jahren haben beide Länder Antisatellitenfähigkeiten entwickelt und demonstriert und sogar ihre eigenen zerstört, um ein klares Signal an die Welt zu senden.“ Er kündigte entsprechende Konsequenzen an. Zuvor, im Herbst 2019, hatte Raymond den Weltraum ausdrücklich als Gebiet der Kriegführung bezeichnet.

Ende 2019 hatte auch die NATO den Weltraum zum möglichen „Kriegsgebiet“ deklariert – wegen angeblicher Bedrohungen, vor allem durch China und Russland. Auf „ntv“ hieß es nun am 2. Mai: „Findet bald ein Krieg im Weltraum statt? US-Geheimdienstbehörden warnen vor der Konkurrenz aus China und Russland. Beide Länder würden an Weltraumwaffen arbeiten, um Satelliten der Amerikaner und ihrer Verbündeten zu zerstören, heißt es in einem neuen Bericht.“

Es waren und sind aber vor allem die USA, die – nicht nur durch SDI, die „Strategische Verteidigungsinitiative“ in den 80er Jahren – für Kriege im und aus dem All aufrüsteten und die auch nach dem Scheitern des SDI-Gesamtprojekts an Waffen für den Einsatz im beziehungsweise vom Weltraum aus arbeiteten. Die Beschlüsse der Trump-Regierung zur Schaffung von „Space Forces“ hat die Situation nicht „entspannt“. Im September 2019, also noch vor dem NATO-Beschluss, äußerte sich der russische Außenminister Lawrow auf einer gemeinsamen Sitzung der Außen- und Verteidigungsminister Russlands und Frankreichs besorgt über die Aussicht eines (neuen) Wettrüstens im All.

Zuletzt kam 2019 in der UNO trotz russischer und chinesischer Bemühungen keine gemeinsame Resolution zur Transparenz und Vertrauensbildung im Weltraum zustande. In der Zeitschrift „Vereinte Nationen“ (Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen) hieß es, dass eine chinesisch-russische Resolution „das Unvermögen der Abrüstungskommission, sich auf eine Agenda zu einigen“ beklagt habe und Bedauern über „das Scheitern einer gemeinsamen Abschlusserklärung der Regierungssachverständigengruppe zur Verhinderung eines Wettrüstens im Weltraum im Jahr 2019 zum Ausdruck brachte.

Zu unterschiedlich sind die politischen Interessen zwischen den Großmächten, vor allem die US-Regierung unter Präsident Donald Trump treibt die Entwicklung zur Bewaffnung im Weltraum voran.“ Bislang kam von der Biden-Regierung offenbar kein Angebot, diese Entwicklung zu stoppen – und man hält an den US-„Space Forces“ fest.

Über die Autorin

Nina Hager (Jahrgang 1950), Prof. Dr., ist Wissenschaftsphilosophin und Journalistin

Hager studierte von 1969 bis 1973 Physik an der Humboldt-Universität in Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Physikerin wechselte sie in das Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR und arbeite bis zur Schließung des Institutes Ende 1991 im Bereich philosophische Fragen der Wissenschaftsentwicklung. Sie promovierte 1976 und verteidigte ihre Habilitationsschrift im Jahr 1987. 1989 wurde sie zur Professorin ernannt. Von 1996 bis 2006 arbeitete sie in der Erwachsenenbildung, von 2006 bis 2016 im Parteivorstand der DKP sowie für die UZ, deren Chefredakteurin Hager von 2012 bis 2016 war.

Nina Hager trat 1968 in die SED, 1992 in die DKP ein, war seit 1996 Mitglied des Parteivorstandes und von 2000 bis 2015 stellvertretende Vorsitzende der DKP.

Hager ist Mitherausgeberin, Redaktionsmitglied und Autorin der Marxistischen Blätter, Mitglied der Marx-Engels-Stiftung und Mitglied der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin.

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"Der „Gott des Feuers“ ist gelandet", UZ vom 28. Mai 2021



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