Erst die Sowjetunion machte den Zweiten Weltkrieg zu einem antifaschistischen Befreiungskrieg

Die Geschichte lehrt und warnt zugleich

Auch 75 Jahre nach dem Sieg über den Faschismus ist die Behandlung der Geschichte des Zweiten Weltkrieges durch bürgerliche Historiker von hauptsächlich drei Grundtendenzen geprägt.

Erstens wird die Verwurzelung der imperialistischen Expansions- und Kriegspolitik in den monopolkapitalistischen Produktionsverhältnissen, in der Vorherrschaft in Wirtschaft und Politik negiert.

Zweitens wird die historische Hauptverantwortung des deutschen Imperialismus sowohl für die Entstehung als auch für den Verlauf des Krieges im Ergebnis des besonders starken Expansionsdranges und der besonders ausgeprägten Aggressivität des imperialistischen Herrschaftssystems geleugnet oder auf eine fehlerhafte Politik beschränkt.
Drittens wird die im Imperialismus wurzelnde Kontinuität des aggressiven Expansionsstrebens des deutschen Imperialismus im 20. Jahrhundert als unzutreffend hingestellt beziehungsweise negiert.

Ob bewusst oder unbewusst wird die imperialistische Expansions- und Kriegspolitik objektiv als Produkt einer Vielzahl gleichwertiger, vorwiegend politischer und ideologischer, also subjektiver Erscheinungen interpretiert. Damit wird auch in dieser Hinsicht das Verhalten wiederholt, das schon nach dem Ersten Weltkrieg an den Tag gelegt wurde.
Die entscheidenden ökonomischen Ursachen des Krieges werden verschwiegen, die imperialistischen Expansionsbestrebungen des deutschen Monopolkapitals werden als „deutsche Wirtschaftsinteressen“ gerechtfertigt. Wenn es aber noch eines Beweises bedurft hätte, hat die Praxis des Zweiten Weltkrieges gezeigt, dass die Neigung zum Krieg sich weder aus der Natur des Menschen noch aus dem unterschiedlichen Wachstum der Bevölkerung in den verschiedenen Ländern und so weiter ergibt, wie es von Ideologen des Kapitals behauptet wird. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat bestätigt, dass die historischen Erscheinungen zu allen Zeiten an bestimmte gesellschaftspolitische Bedingungen geknüpft sind.

Sowohl die historischen Arbeiten der bürgerlichen Forscher als auch die Darstellungen der aktuellen Kriege zeigen, dass sie die militärischen Vorgänge und die Haltungen der einzelnen Länder dabei relativ nahe der Wirklichkeit herausarbeiten können. Nur unzureichend ist die Fähigkeit beziehungsweise der Wille, die Kennzeichnung des Charakters der Kriege herauszuarbeiten – besonders den Zusammenhang von Imperialismus und Krieg. Der Krieg wird von der Herrschaft des Monopolkapitals getrennt betrachtet. Damit soll nicht nur die Rolle des deutschen Kapitals minimiert werden. Es wird auch der Charakter des Krieges verfälscht.

Es wird objektiv geleugnet, dass der Zweite Weltkrieg als ein vom deutschen Faschismus und Militarismus ausgelöster imperialistischer Krieg begann. Entstanden ist er aus der Mächterivalität und Staatenkonkurrenz, aus der schon der Erste Weltkrieg erwachsen ist und war ein Produkt des Monopolkapitalismus, wachsender Gegensätze zwischen den imperialistischen Großmächten.

Erst in der Folgezeit, mit dem Kriegseintritt der Sowjetunion, wandelte er sich zum antifaschistischen Befreiungskrieg. Diese Erkenntnis ist aber Voraussetzung, um die historische Wahrheit und die sich daraus ergebenden Lehren aufzudecken. Unterlässt man es, zu den sozial-ökonomischen Wurzeln historischer Prozesse vorzudringen, vermeidet man den konkreten gesellschaftlichen Bezug der Ereignisse, so bleibt man an der Oberfläche, landet bei den subjektiv interpretierbaren „Werten“, „Grundwerten“ und „Wertmaßstäben“.

Wird die kapitalistische Gesellschaft als entscheidendes Bewertungskriterium eliminiert, so wird der Weg frei gemacht, um die Fortsetzung der Traditionen reaktionärer Machtausübung und Politik unter aktuellen Bedingungen zu rechtfertigen. Das bietet unter anderem auch den Raum für eine solche Pflege der preußischen Tradition (zum Beispiel bei der AfD), die vor allem verstärkten Konservatismus, Kritik des bürgerlichen Parlamentarismus von rechts und Autoritätsbedürfnis zum Inhalt haben.

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"Die Geschichte lehrt und warnt zugleich", UZ vom 8. Mai 2020



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