In Oberhausen wirft Namensgebung nach den letzten deutschen Kaisern Fragen auf

Ehre, wem Ehre gebührt

Klaus Oberschewen ist Historiker, Mitglied der VVN-BdA und lebt in Oberhausen. Er hat einen geschichtlichen Beitrag in der linken Zeitung „Paroli“ veröffentlicht, der den Namen „Kaisergarten“ für ein beliebtes Oberhausener Ausflugsziel problematisiert. Mitbegründer dieses vielbeachteten Magazins war übrigens der frühere UZ-Redakteur Werner Finkemeier.

UZ: Was stört dich an diesem Namen?

Klaus Oberschewen: Der Name für diese wunderschöne Parkanlage stört mich schon lange. Mein Artikel in der „Paroli“ wurde angestoßen durch die dreisten Forderungen des Hohenzollern-Clans nach Rückgabe „ihrer“ Güter und der aktuell laufenden Prozesse.

Wir wissen nicht erst seit den Büchern von Bernt Engelmann, dass Wilhelm II. ein in der Wolle gefärbter Antidemokrat war, der sich rühmte, nie die Verfassung seines Landes gelesen zu haben. Er scherte sich als angeblich von Gottes Gnaden eingesetzter Monarch keinen Deut um das Parlament und dessen Rechte.

Wilhelm II. war radikaler Antisemit und stützte die Aussage des im wilhelminischen Reich hoch angesehenen Historikers Heinrich von Treitschke: „Die Juden sind unser Unglück.“ Am Kaiserhof predigte Adolf Stöcker als bekannter Antisemit einen aggressiven Judenhass, der in gerader Linie zur Politik der NSDAP führte.

Wilhelm II. war militanter Rassist und führte imperialistische Eroberungskriege in Afrika und Asien. Seine Generäle von Trotha und von Schlieffen formulierten den Befehl zum Völkermord in Afrika, dem etwa 80.000 Herero und Nama zum Opfer fielen. Die berüchtigte „Hunnenrede“ vom 27. Juli 1900 in Bremerhaven mit dem Befehl, keine Gefangenen in China zu machen und „die deutsche Ordnung“ wiederherzustellen, war ein weiterer rassistischer Aufruf zum Völkermord.

Trauriger Höhepunkt und gleichzeitiges Ende der Hohenzollern-Dynastie waren die Millionen Toten am Ende des Ersten Weltkriegs.

Wilhelm II. erlebte den Beginn des Zweiten Weltkriegs in den Niederlanden und kommentierte 1941 die Erfolge der NS-Wehrmacht in einem Telegramm an Adolf Hitler: „Die Taten unserer Truppen sind herrlich, Gott gab ihnen den Erfolg.“

Es gibt vieles über diesen deutschen Herrscher zu berichten, hier fehlt der Raum. Mein – in der Tat polemischer – Artikel schließt mit dem treffenden Urteil von Harry Graf Kessler als Zeitgenosse Wilhelms im Jahr 1928: „Jede neue Publikation macht das Bild dieses Schwächlings, Feiglings, brutalen Strebers, dieses Hohlkopfs und Aufschneiders, der Deutschland ins Unglück gestürzt hat, noch abstoßender.“

UZ: Wie waren die Reaktionen auf deine Veröffentlichung?

Klaus Oberschewen: Nachdem der Artikel in den Lokalredaktionen der Funke-Medien in der „WAZ“ und „NRZ“ ausführlich redaktionell aufbereitet erschienen war, gab es eine große Zahl von Leserbriefen. Die meisten forderten, den Namen beizubehalten und verwiesen auf wichtigere Themen als Umbenennungen von Parks und Straßen. Einige Hobbyhistoriker nutzten die Gunst der Stunde zur Verbreitung ihres reaktionären Weltbilds und sprachen von „einer wirtschaftlich und kulturell sehr erfolgreichen Epoche“ und verwiesen auf Wilhelm I. als Namensgeber. Einige Zuschriften stimmten meiner Kritik zu und forderten eine Infotafel im Park.

Als Einleitung zu meinem Artikel habe ich bereits darüber informiert, dass 1898 aus Anlass des 100. Geburtstags seines Großvaters der Park nach Wilhelm I. benannt wurde. Im gesamten deutschen Reich gab es eine Welle von Namensgebungen mit der Vorsilbe „Kaiser“.

Offensichtlich sollte der Name auch Wilhelm II. und eventuellen Nachfolgern aus dem Hohenzollern-Clan zur Ehre gereichen. Dank der Novemberrevolution 1918 endete bekanntlich die deutsche Monarchie.

UZ: War Wilhelm I. nun ein dermaßen vorbildlicher demokratischer Zeitgenosse, der die Widmung auch eures Kaisergartens verdient hätte?

Klaus Oberschewen: Wilhelm I. ist in die Geschichte eingegangen als „Kartätschenprinz“, der mit brutaler Gewalt gegen bürgerlich-republikanische Demonstranten im März 1848 vorgehen ließ. Nach der provokativen Reichsgründung 1871 in Versailles wurde sein preußisch-deutsches Reich – wie Friedrich Engels es formulierte – zum Repräsentanten des Militarismus in Europa und beschleunigte – selbst bis zu den Zähnen bewaffnet – das Wettrüsten. Von nun an waren Militarismus, Chauvinismus, reaktionäres Muckertum und nationalistische Überheblichkeit, gepaart mit militantem Antisozialismus, vorherrschend in der Gesellschaft und drangen auch in große Teile des Volkes ein.

Der großartige realistische Schriftsteller Heinrich Mann hat in seinem Roman „Der Untertan“ den reaktionär-autoritären Charakter eines Bürgers dieser Gesellschaft sehr treffend beschrieben.

UZ: Wie sollte die Stadt Oberhausen nun mit diesem Namen umgehen?

Klaus Oberschewen: Es gibt in der Stadt Oberhausen eine gute und demokratische Tradition der Namensgebungen. Zum Beispiel ist ein Teil des Sterkrader Bahnhofsplatzes seit 1947 nach dem sozialdemokratischen Widerstandskämpfer Arnold Rademacher benannt, ein anderer nach dem ermordeten Kommunisten August Zilian. Vor einigen Jahren wurde in Oberhausen-Alstaden eine Straße nach dem kommunistischen Spanienkämpfer Fritz Giga benannt. Mit großem Erfolg wurde das Theaterstück „Das dritte Leben des Fritz Giga“ im Rathaus dieser Stadt aufgeführt.

Allerdings bedarf es der ständigen Überprüfung der unserer Meinung nach stark belasteten Namen und eine öffentliche Diskussion darüber. Es gehört unbedingt zu einer demokratischen Gedenkkultur, sich auch an dieser Stelle mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen.

Die VVN-BdA Oberhausen hat eine Liste mit über zwanzig Straßennamen zusammengestellt, die gewechselt werden sollten. Selbstverständlich nach öffentlicher Diskussion mit der Beteiligung von Gewerkschaften, Kirchen, Initiativen und anderen Teilen der Stadtgesellschaft.

UZ: Stehst du mit deiner Kritik allein da?

Klaus Oberschewen: Sicherlich nicht, obwohl ich in Oberhausen eine Minderheitsposition vertrete. Die Diskussion in dieser Stadt bewegte sich weniger in Richtung einer kritischen Auseinandersetzung mit einem deutschen Herrscher. Im Mittelpunkt stand zumeist der sehr gewohnte Name.

In anderen Städten gibt es ähnliche Diskussionen. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete am 19. Mai 2021 unter dem Titel „Getilgt und ausgerottet“ über den Kolonialismus und Antisemitismus der Zeit Wilhelms und berichtet weiter über Bestrebungen an der Wilhelms-Universität in Münster, diesen Namen zu ändern. Der Historiker Olaf Blaschke wird zitiert als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats: „Bei uns geht es nicht vorrangig um Umbenennung, sondern um den Umgang mit dem Namensgeber Kaiser Wilhelm II.“ Allerdings sollte man die Namensänderung nicht auf die lange Bank schieben.

Im Jahr 2012 wurde bekanntlich in Münster der Hindenburgplatz nach langer öffentlicher Diskussion in Schlossplatz umbenannt. Das ist ein ermutigendes Signal an alle Initiativen in diesem Land, die Straßennamen auf Namensgeber zu überprüfen und historisch-politische Diskussionen vor Ort zu führen.

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"Ehre, wem Ehre gebührt", UZ vom 18. Juni 2021



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