Zweifellos begründet sich Galileis Bedeutung für die Wissenschaft durch den Bruch mit dem theologischen Weltbild und der dort neben der hermeneutischen Erschließung von Texten praktizierten Methode der Deduktion. Dieses Bild des Physikers als Begründer der empirisch-induktiven Methode verstellt allerdings den Blick auf eine weitere revolutionäre Leistung, die zeigt, dass er eine doppelte Emanzipation vollbracht hat: Die Physik Galileis bedeutete auch die Ablösung der Jahrhunderte lang dominierenden, auf Scheinevidenzen beruhenden aristotelischen Lehre von der Bewegung. Einstein/Infeld in „Die Evolution der Physik“ haben auf diesen epistemologischen Bruch hingewiesen, und was sie dazu vermerken, erinnert doch stark an die Methode, die ein anderer, das Denken revolutionierender Wissenschaftler als „das Aufsteigen vom Abstrakten zum Konkreten“ beschreibt. So gesehen: Engels hätte Grund gehabt, am Grab von Karl Marx nicht nur Darwin, sondern auch Galilei als kongeniale Geister aufzurufen.
Betr.:
„Die Emanzipation der Naturforschung“, UZ vom 20.1.
Erkenntnistheoretischer Bruch
Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher laden wir Sie ein, die UZ als Wochenzeitung oder in der digitalen Vollversion 6 Wochen kostenlos und unverbindlich zu testen. Sie können danach entscheiden, ob Sie die UZ abonnieren möchten.
An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)