Zivilklausel-Kongress in Kassel fordert Wissenschaften für den Frieden

Gegen den Ungeist der „Zeitenwende“

Chris Hüppmeier

Am 28. und 29. Oktober laden verschiedene friedensbewegte, antimilitaristische und linke Gruppen zu einem bundesweiten Zivilklausel-Kongress nach Kassel ein. Mit dem gigantischen Aufrüstungsprogramm der Bundesregierung und dem Getrommel für die „Verteidigung der Freiheit“ wächst der Druck auf Universitäten und Hochschulen, sich für Rüstungs- und Militärinteressen zu öffnen. Die Schranken für eine Rüstungsforschung, die den ungehinderten Zugriff auf die Institution Universität versperren, sollen fallen, weil Hochrüstung ohne Wissenschaft nicht denkbar ist.

Die „Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e.  V.“ (acatech) veröffentlichte im Juni 2022, gerade mal drei Monate nach Eintritt Russlands in den Ukraine-Krieg, eine Ausgabe ihrer Zeitschrift „IMPULS“ mit dem Titel „Sicherheit, Resilienz und Nachhaltigkeit“. Darin wird der Krieg genutzt, um das vermeintliche gesellschaftliche Bedürfnis einer gesteigert militarisierten deutschen Außenpolitik zu postulieren, die den deutschen Wissenschaften und Universitäten Auftrag sein soll. Die Zivilklauseln sind dafür offenkundig eine Schranke. Deshalb hat sich die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) der Bundesregierung den Angriffen auf die Zivilklausel angeschlossen und damit die Einreihung der Wissenschaften in die imperialistische Agenda der BRD auch auf höchster wissenschaftspolitischer Ebene zum Grundsatz gemacht. Im Rahmen der diesjährigen Jahresversammlung der „Hochschulrektorenkonferenz“ gab es im Mai in Trier Äußerungen von teilnehmenden Uni-Leitungen, die eigenen Zivilklauseln abschaffen zu wollen.

Der Angriff auf die Zivilklauseln ist keiner, der sich nur auf einzelne Universitäten beschränkt. Die „Wissenschaftselite“ ist damit voll auf „Zeitenwende“-Kurs. Doch gerade das Grundgesetz stellt, als Konsequenz aus Faschismus und zwei Weltkriegen, die Freiheit der Wissenschaft (Artikel 5) in den Zusammenhang der Verwirklichung der Würde des Menschen (Artikel 1) und eines übergreifenden Friedensgebotes (Präambel). Völkerverständigung und internationaler Interessenausgleich, soziale Progression und Angleichung der Lebensbedingungen, sinnvolle Arbeit, eine aufgeklärte Kultur, Gesundheit für alle und die Lösung der Klima­krise sind unbedingt Aufgaben für die Wissenschaft und nicht vereinbar mit der Militarisierung der Politik und des Denkens. Deshalb: Zivilklausel!

Die Zivilklausel-Bewegung, die vor rund zehn Jahren zahlreiche der Klauseln an Universitäten und Hochschulen erstritten hat, nimmt nun wieder Fahrt auf. Der Kongress bildet dabei den bundesweiten Auftakt gegen das Drängen der Rüstungsmonopole an die Unis, gegen den Aufrüstungsungeist von Politikern und Uni-Leitungen und für Forschung und Bildung für eine menschenwürdige Welt.

Der Kongress wird damit sowohl den gesellschaftlichen Entwicklungskonflikt, die Angriffe wie auch die positiven Möglichkeiten für eine universitäre und gesellschaftliche Entwicklung in unserer Zeit beleuchten. Neben einem allgemeinen Austausch der bundesweiten Gruppen, vielen Diskussionen und Arbeitsgruppen für die zukünftig gemeinsam geführten Kämpfe, wird auch der emeritierte Friedensforscher Werner Ruf einen Vortrag zur Aufgabe der Wissenschaften für den Frieden beitragen. Alle Interessierten, sowohl Studierende, Lehrende und Forschende, aber auch grundsätzlich Interessierte sind herzlich eingeladen.


Zivilklausel-Kongress
28. und 29. Oktober
Stadtteilzentrum Vorderer Westen in Kassel
Die Teilnahme ist kostenlos
Anmeldung und Programm unter zivilklausel-kongress.de


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"Gegen den Ungeist der „Zeitenwende“", UZ vom 20. Oktober 2023



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