Breite Konferenz in Beirut debattierte die Palästina-Solidarität

Gegen die Dämonisierung der Opfer

Von Günter Pohl

UZ-Pressefest

Diskussionsrunde

Naher Osten im Fadenkreuz

Diskussion mit Mitgliedern von Kommunistischen Parteien aus Syrien, Iran, Irak, Kurdistan und Palästina.

Samstag, 8. September, 10.30 Uhr, Bühne in der Kunst- und Kulturhalle

In Beirut fand Ende Juli das „Arabisch-Internationale Gerechtigkeitsforum für Palästina“ statt. Es handelt sich dabei um eine Konferenz, zu der ein breites Spektrum von linken, nationalistischen, panarabischen, Befreiungs- und Widerstandsbewegungen einlädt.

Teil der Organisatoren ist die zum Forum gehörende Libanesische Kommunistische Partei (LKP), die international einige ihrer Bruderparteien um Teilnahme gebeten hatte; unter anderen nahm die DKP diese Einladung an. Diesen Parteien ermöglichte die LKP ein separates Treffen mit Generalsekretär Hanna Gharib, bei dem die Situation im Libanon eingeschätzt wurde. Bei der Gerechtigkeitskonferenz selbst waren neben Organisationen aus dem gesamten arabischen Raum unter anderem Vertreter aus Irland, Griechenland und den USA anwesend. Aus Palästina kamen die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP), die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP), Al-Fatah und Hamas.

Die medial stark beachtete Konferenz versteht sich als Treffen der „Anti-Normalisierungs-Kräfte mit Israel“, also derjenigen politischen Parteien und Bewegungen und des nicht-säkularen, islamischen Spektrums, die sich nicht an die Zustände in Palästina gewöhnen und daher Israel nicht aus seiner Verantwortung für die Situation des palästinensischen Volkes entlassen wollen. Dahinter steht eine Idee des „Arabisch-Internationalen Zentrums für Kommunikation und Solidarität“, das seit 2007 diverse Konferenzen und Jugendseminare durchgeführt hat und dessen Präsident Maan Bashour in seiner Begrüßung der etwa 400 Gäste den weit gefassten Charakter der Konferenz betonte. Das Gerechtigkeitsforum existiert seit 2015 als ein konkretes Ergebnis der Bemühungen um eine gemeinsame Sprache der unterschiedlichen politischen Kräfte, es traf sich einmal in Tunis und nun zum dritten Mal in Beirut.

Neben den vier Themenblöcken „Trumps Deal des Jahrhunderts“, „BDS (Boykott) gegen Israel und Antinormalisierungsbewegungen“, „Unterstützung für die Rückkehrmärsche“ und „Gefangene des israelischen Apartheidsystems – arabische und internationale Verantwortung und Aufgaben“ kam einerseits natürlich immer wieder die Debatte um das aktuell in der Knesset beschlossene „Nationalstaatsgesetz“ auf (siehe UZ vom 3. August), andererseits gab es große Freude über die Freilassung der jungen palästinensischen Aktivistin Ahed Tamimi nach acht Monaten israelischer Haft am Morgen der Konferenz.

Zahlreiche Diskussionsbeiträge der Palästina-Aktivisten beschäftigten sich sowohl mit praktischen Fragen der Palästina-Solidarität als auch mit der international gegenüber früheren Zeiten schwächeren Unterstützung durch Regierungen. Richard Edward, ein irischer Abgeordneter, erklärte den Umstand, dass Israel es immer wieder schafft den internationalen Widerstand zu neutralisieren, mit dem Narrativ der angeblich „gewaltsamen, terroristischen arabischen Welt“ bei gleichzeitiger Dämonisierung der Opfer. Er empfahl die Verwendung des Apartheidsbegriffs, da er durch Südafrika bekannt und selbsterklärend sei, sowie – wenn die Annahme des Apartheidstaats richtig ist – einen Boykott nicht nur von Produkten aus besetzten Gebieten, sondern aus dem ganzen Land. Eine erheblich geringere Rolle als in Deutschland spielt dabei anderenorts die Diskriminierung von gerechtfertigter Kritik an der Apartheidpolitik der israelischen Regierung und weiter Teile der dortigen Gesellschaft als „Antisemitismus“.

Die Abschlusserklärung äußert klare Kritik am „Jahrhundertdeal“ als gegen die Selbstbestimmung gerichtete Gefahr für die Region, am Nationalstaatsgesetz Israels und an der offenkundigen Apartheidpolitik. Es werden Menschenrechte für die Palästinenser eingefordert und eine Verstärkung der Boykottkampagne gefordert, für die man Mechanismen schaffen will. Die Kriegsverbrechen Israels machten einen Normalisierungsprozess mit dem Land undenkbar. Die Gültigkeit der (1991 widerrufenen) UN-Resolution 3379 vom November 1975 wird eingefordert, nach der „der Zionismus eine Form von Rassismus und Rassendiskriminierung“ ist, und die Konferenz spricht sich gegen die Gaza-Blockade aus, die zu Lande und zu Wasser durchgeführt wird.

 


 

Erklärung von Kommunistischen und Arbeiterparteien

auf Initiative der Palästinensischen Volkspartei

Die Kommunistischen und Arbeiterparteien verurteilen entschieden die Verbrechen, die in den besetzten Gebieten, speziell im Gaza-Streifen, von der israelischen Armee gegen das palästinensische Volk begangen werden. Ein Blutbad ist die Folge, kaltblütig wurden unbewaffnete Demonstranten getötet, Männer, Frauen und Kinder.

Die aggressive Politik der Trump-Regierung und die Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels mitsamt der Verlagerung der Botschaft dorthin – trotz und gegen einen internationalen Aufschrei – hat die Aggressivität Israels ermutigt, das die illegale Besetzung palästinensischer Territorien weiterführt und das palästinensische Volk weiterhin massakriert. Die Regierungen der Länder mit einer äquidistanten Haltung, die Täter und Opfer gleichsetzen, tragen dabei große Verantwortung; die Position der Europäischen Union, wonach, während ein organisiertes Massaker am palästinensischen Volks geschieht, „alle Seiten Zurückhaltung zeigen“ sollen, und ihre Aufwertung der Beziehungen zum israelischen Staat sind nicht akzeptabel. Einige europäische Linksparteien haben ebenfalls inakzeptable Positionen der Unterstützung des israelischen Besatzungspolitik, wie der letzte Besuch des Fraktionsvorsitzenden der deutschen Partei „Die Linke“1 und seine Pflanzung eines Baums in einer israelischen Siedlung zeigt. Während einige andere europäische Länder, die von Parteien geführt werden, die Teil der Europäischen Linkspartei sind, Beziehungen zu Israel, speziell militärischer Art, entwickeln. Die letzte Abstimmung der israelischen Knesset zum Nationalstaatsgesetz ist ein weiterer Schritt zum Apartheidstaat.

Die Kommunistischen und Arbeiterparteien drücken ihre Solidarität und Unterstützung für das palästinensische Volk und für seinen gerechten Kampf für seinen eigenen unabhängigen und souveränen palästinensischen Staat mit den Grenzen von vor dem 4. Juni 1967 aus, mit Ost-Jerusalem als seiner Hauptstadt. Wir führen unseren Kampf weiter und rufen die Völker zur Stärkung ihrer Solidarität mit dem Kampf des palästinensischen Volkes auf – bis zum Ende der vom Weltimperialismus unterstützten israelischen Aggression und Besetzung.

Unterzeichnet von 36 Kommunistischen und Arbeiterparteien

(Stand 5. August)

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"Gegen die Dämonisierung der Opfer", UZ vom 10. August 2018



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