Verfassungsschutz hält Erkenntnisse über AfD unter Verschluss. Viel ist davon eh nicht zu erwarten

Gesichert – im Geheimen

Gelbe Karte für die Ersatzbank. Auf Nancy Faesers (SPD) innenministerialer Agenda stand noch ein 1.100 Seiten starker Restposten, vor drei Jahren von ihr als Chefin bei ihrem gleichwohl völlig „unabhängigen” und politisch „neutralen” Bundesamt für Verfassungsschutz (VS) beauftragt, der durch langes Liegenlassen auch nicht besser werden würde. Also raus zur Pressekonferenz am freitäglichen Brückentag, zwischen 1. Mai und Wochenende, ohne Gefahr, dass ihr jemand die Schau stehlen konnte – zumal ihr jahrelanger Mitstreiter in Sachen Delegitimierung der Grundrechte, Ex-Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang, seinen Dienst im letzten Jahr quittiert hat.

Präsentiert wurde das Gutachten des Verfassungsschutzes im Stile eines naturwissenschaftlichen Bulletins, bloß ohne Darlegung der Methodik und ohne sich mit der Darstellung von Beweistatsachen abmühen zu müssen. Der Inhalt des Gutachtens ist so gewichtig, dass es die Öffentlichkeit nicht sehen darf, obwohl jeder aufrechte Antifaschist sich gern mit Spannung eingelesen hätte. Wie beim militärischen „Operationsplan Deutschland”, im Umfang ähnlich und ebenfalls streng geheim, darf sich jeder nun in seiner Fantasie hineinwünschen, was er gern herauslesen würde.

An der Gefahr, Einblicke in den verdeckten Geheimdienstalltag zu verschaffen, liegt der fette „Verschlusssache!”-Stempel auf dem Aktendeckel nicht. Bester Beweis: Das Verfassungsschutzgutachten zur Einstufung der AfD als „Verdachtsfall” aus dem Jahr 2021 – erst geheim, dann geleakt –, das über viele hundert Seiten Passagen aus Zeitungen, Reden und dem Netz hintereinander reiht. Drei Jahre später wird dies nicht anders sein und man wird das neue Werk aus der Überwachungsbibliothek bald lesen können, da es im am Montag dieser Woche von der AfD gegen den Verfassungsschutz angestrengten Verwaltungsgerichtsverfahren auf den Tisch gelegt werden muss.

Was dem Inlandsgeheimdienst für die Einstufung als „Gesichert rechtsextrem” ausgereicht hat, wissen wir aus den auf der Pressekonferenz preisgegebenen wenigen Passagen des Gutachtens. Was macht die AfD in seinen Augen gefährlich und rückt sie in die Nähe des Faschismus? Nicht ihr Plädoyer für radikalen Sozialabbau, eine starke NATO, eine aufgerüstete Bundeswehr und Wehrpflicht oder gar für den Krieg Israels gegen die Palästinenser. Sicher nicht, denn all das zeigt nur, dass die AfD Fleisch vom Fleisch der anderen bürgerlichen Parteien ist. Auch zu offenem Rassismus und Antisemitismus kein Zitat. Was übrig bleibt, ist Heimattümelei: „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar” lautet die bedrohliche Kernbotschaft im Gutachten. Um das wissen zu können, braucht es kein Gutachten. Und Vorsicht, galt doch genau dieses Staatsangehörigenrecht in Deutschland – von 1949 bis zum 1. Januar 2000. Und nachgedacht, ist es dann nicht auch gesichert rechtsextrem, wenn für das neueste Staatsangehörigkeitsrecht geplant ist, bei bestimmten Straftaten die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen? Denn das kann nur bei migrantischem Hintergrund überhaupt funktionieren.

Den jetzt vor allem von den Grünen angestrengten Versuchen, ein AfD-Verbot zu forcieren, wird der Erfolg versagt bleiben. Nicht weil die AfD ein Gewinn für die Demokratie wäre, sondern weil sie von der herrschenden Klasse noch gebraucht wird. Sie kanalisiert den Protest der von Sozialabbau, Kriegsertüchtigungshysterie und Rückschnitt der Meinungsfreiheit Enttäuschten und hält ihn innerhalb der gutbürgerlichen Leitplanken. Für die nächsten Jahre reicht das. Die wahren Brandmauern, von denen zu reden ist, sind nicht die zwischen CDU und AfD, sondern jene zwischen unten und oben, arm und reich, Krieg und Frieden.

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"Gesichert – im Geheimen", UZ vom 9. Mai 2025



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