Realität ist anders

Hundstage im Dezember

Von Karl Rehnagel

Die Bayern hatten es ausnahmsweise mal richtig gemacht. Kein Twitterskandal einer Spielerfrau, kein groteskes Statement der Clubführung, kein peinliches Gehampel von Sportchefkasper Hasan Salihamidzic, sie spielten einfach Fußball. Nicht dolle, aber ausreichend für Bremen und gewannen somit 2:1. Ob das der zur Realität zurückgekehrte FC ist, darf aber bezweifelt werden. Noch am Vorabend hatte es heftige Kritik von den Fans auf der Jahreshauptversammlung gegeben, der gute Uli verweigerte danach eine Diskussion und sagte später: „Das trifft mich sehr, sehr.“ Was er erwartet hatte nach seinen letzten absurden Auftritten, behielt er für sich. Wahrscheinlich dies: „Dann stehen da 3000 Menschen auf und klatschen minutenlang. Das hat mich umgehauen“ (Hoeneß über Auftritt Hoeneß). Realität ist anders.

Die schöne M. hatte, ohne jemanden einzuweihen, einen Hundewelpen erworben und zum Fußball mitgebracht und die ganzen alten, harten Kerle saßen wie Hühner auf der Stange bzw. Bierbank mit diesem Trottelblick – „kann ich es auch mal ganz kurz halten?“. U., der Mann ohne Zähne, ein unverwüstliches Kneipenoriginal und normalerweise so gefühlsbelastet wie ein Kojote beim Abendmahl, hatte gar Pippi in den Augen, als er das kleine Bündel in die Arme bekam. Männer eben. So rauschte das unberauschende Spiel mehr oder minder an uns vorbei. Der BVB mühte sich, Freiburg mauerte mit Beton und nur ein Elfmeter (berechtigt!) und mal wieder ein Jokertor von Paco, dem irrwitzigen Iberer, erlöste uns kurz aus der peinlichen Welpenanhimmelei. Realität ist anders.

Beim Tippen blieb ich auf der Eins, ich hatte den BVB, Bayern, Stuttgart, Mainz, Leipzig und Hertha auf Sieg getippt, passte. Den befreundeten Schalkern hatte ich eine Niederlage gegen Hoffenheim angedacht, klappte nicht wirklich, aber mit einem Pünktchen und Platz 11 dürften die Blauen nicht wirklich zufrieden sein. Ich natürlich schon. Nur bei Frankfurt hatte ich mich schwer verhauen, statt des prognostizierten 3:0 Heimsieges gab es ein 1:2 gegen die – ich wiederhole mich da – untippbaren Wolfsburger.

Was nun meine Führung beim Tippspiel und den ersten Platz der Dortmunder Borussia angeht, halte ich es diesmal mit Martin Wagner (ehemals 1. FC Kaiserslautern): „Wir werden die Spitze mit Messer und Gabel verteidigen.“ Ja ja, ich gebe es ja zu: Realität ist sicherlich anders.

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"Hundstage im Dezember", UZ vom 7. Dezember 2018



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