Die neue Kampagne für Taurus-Lieferungen

Hurra, wir sterben!

Kolumne

„Wie gefährlich dieser Krieg ist, sehen alle an der jüngsten Eskalation“, soll Olaf Scholz laut Zeitungsberichten bei einer SPD-Veranstaltung mit Blick auf die jüngsten Raketenangriffe der Ukraine auf russisches Territorium gesagt haben. Noch ist Scholz Kanzler und noch spricht er sich in dieser Funktion gegen die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an den Verbündeten Ukraine aus. Es drohe sonst eine direkte Auseinandersetzung zwischen der NATO und Russland. Diese sei mit dem Beschuss durch Raketen aus US-amerikanischer und britischer Produktion und vor allem der expliziten Erlaubnis dafür von den Regierungen in Washington und London bereits eingetreten, so Moskau. Man werde auf solche Angriffe auch militärisch antworten, rumort es, und der Noch-Kanzler fasst zusammen: Wir müssen aufpassen, nicht zum Kriegsgebiet zu werden.

Sein Noch-Vize Habeck lässt sich davon nicht beeindrucken. Im Chor mit seinem künftigen Chef Merz prägen sie eine Marke ihrer Schattenregierung: Entschlossen in der militärischen Unterstützung der Ukraine, versprechen sie nun, endlich die Kehrtwende herbeiführen zu können. Wie schon mit dem Leopard-Panzer oder Marschflugkörpern wird auf die militärische Niederlage Russlands durch eine deutsche Wunderwaffe gesetzt. Dabei wäre die Lieferung von Taurus ein Bumerang, schließlich könnte sie mit ihrer Reichweite auch Ziele in Moskau treffen und Deutschland durch die russische Reaktion zum Kriegsgebiet werden.

Kriegspartei ist Deutschland schon. Der deutsche Kriegsminister Pistorius, der angesichts der schlechten SPD-Umfragewerte vorerst auf eine Kanzlerkandidatur verzichtet, lud zum Wochenauftakt nach Berlin ein. Seine Kollegen aus Frankreich, Britannien und Polen kommen mit ihm und ihrem italienischen Ministerkollegen zusammen, um über Maßnahmen zur „Stärkung der Sicherheit und Verteidigung in Europa zu beraten“. Zuvor hatten London und Paris, wie zuvor die abgewählte US-Regierung, ihre Erlaubnis für den Einsatz militärischer Raketen aus ihrer Produktion durch die Ukraine gegen Ziele in Russland gegeben. Der polnische Außenminister begrüßte den Schritt sofort und sein für Krieg zuständiger Kollege darf deswegen in Berlin mithelfen, das bisherige italienische Veto zu brechen.

Da sich Teile der deutschen Politik jedoch auch noch quer stellen – selbst der Kanzler! – und es noch ein paar Wochen sind bis zur Abwahl der amtierenden Bundesregierung, wird auf Hochtouren an einem Angebot gestrickt, zu dem die öffentliche Meinung in Deutschland nicht nein sagen kann. So trafen sich die Außenminister der Kerneuropa-Staatengruppe bereits zuvor, um die Finanzierung der Raketen und weiteren Kriegsgeräts für die Ukraine zu verhandeln, schließlich sei künftig weniger Geld aus den USA zu erwarten. Da wittert auch das deutsche Großkapital seine Chance auf Gewinn.

Während in Bayern soeben eine neue Produktionsstätte für US-amerikanische Patriots eingeweiht wurde, trommeln Lindner, Habeck und Merz also für die Taurus-Lieferung. Sie verklären dafür die Kämpfe um die russische Oblast Kursk zum Kampf der Ukraine für „unsere Werte“. Doch kein Wort von ihnen über die konkrete Gefahr, dass damit direkt Ziele in Moskau angegriffen werden könnten. Laut Medienberichten hat Selenskis Stabschef Andrij Jermak in Washington bereits eine Liste potenzieller Ziele in und um Moskau vorgelegt.

Stattdessen schüren Leitmedien und Hauptstadtpresse nun Panik angesichts der erfolgten russischen Reaktion auf die Angriffe in ihrem Hinterland: Mit einer nichtnuklearen Hyperschallrakete feuerte Moskau zurück und bekräftigte die Drohung, bei fortgesetzten Angriffen zurückzuschlagen. Dagegen will Scholz US-Raketen in Deutschland installieren. Diese Entwicklung jedoch wird mit Sorge registriert: Laut einer bundeswehreigenen Studie ihres Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften fürchten 37 Prozent der Deutschen mittlerweile eine Auseinandersetzung mit Atomwaffen und 34 Prozent Angriffe auf die kritische Infrastruktur in Deutschland. Gleichzeitig führen Merz und die Kriegsparteien in den Umfragen.

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"Hurra, wir sterben!", UZ vom 29. November 2024



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