Streikwelle in Frankreich zum Jahreswechsel ungebrochen

Ins Neue Jahr und weiter

Es ist Staatschef Emmanuel Macron nicht gelungen, die Streikenden in Frankreich zu einer „Weihnachtspause“ zu erpressen. Die ab dem 5. Dezember begonnene Streikwelle hielt auch über die Feiertage und den Jahreswechsel nur wenig vermindert an. Sie gehört damit bereits jetzt zu den längsten sozialen Auseinandersetzungen in Europa seit Jahrzehnten.

Die führende bürgerliche Tageszeitung „Le Monde“ beschrieb am 30. Dezember die Situation so: „Eine neue Woche von Störungen im Verkehr kündigt sich an. Am 26. Streiktag gegen die Rentenreform wird der Eisenbahnverkehr am Montag, den 30. Dezember, weiter gestört bleiben, doch immerhin mit einer leichten Verbesserung bei den großen TGV-Schnellzugslinien.“ Am Tag vor Silvester sollen 50 bis 60 Prozent der Schnellzüge in Betrieb gewesen sein.
Während der Weihnachtsfeiertage waren nur etwa 40 Prozent der Schnellzüge, 20 Prozent der Vorortzüge im Großraum Paris und 40 Prozent der anderen Regionalzüge gefahren. Bei der Pariser Metro blieben sechs Linien völlig geschlossen, bei acht weiteren fuhren Züge oft nur während der Spitzenzeiten.

Zugleich nahmen in den Tagen zwischen Weihnachten und Silvester erneut tausende Menschen in vielen Städten an hunderten von den Gewerkschaften organisierten lokalen Aktionen wie Streikweihnachtsfeiern, kostenlosen Konzerten in Bahnhöfen und auf öffentlichen Plätzen sowie Kundgebungen und Demonstrationen teil.

Dabei muss immer wieder erwähnt werden, dass die Streiks nicht von oben von den Gewerkschaftszentralen angesetzt, sondern von den Beschäftigten selbst in betrieblichen Vollversammlungen immer wieder neu beschlossen werden. Und die Streikenden wissen, dass sie damit spürbare materielle Nachteile in Kauf nehmen, weil ihnen die Streiktage vom Gehalt abgezogen werden. Der Einkommensausfall kann je nach Höhe des Gehalts 60 bis 150 Euro pro Tag betragen. Da der Streik bereits mehr als vier Wochen anhielt, bedeutet das für manchen den Verlust eines ganzen Monatsgehalts.

Die Gewerkschaften haben zwar inzwischen mit der Einrichtung von Streikkassen begonnen, für die Spenden gesammelt werden, aber das wird den Gehaltsausfall nicht ausgleichen können. Laut einer Mitteilung der CGT hat ihre Streikkasse bereits weit über eine Million Euro eingesammelt, wovon 250.000 Euro bereits an die streikenden Beschäftigten der Pariser Verkehrsbetriebe ausgezahlt worden sind.

Die Regierung spielt angesichts des Massenwiderstands auf Zeit. Sie hofft auf das Abflauen der Streikbereitschaft, auch infolge der finanziellen Verluste. Außerdem versucht sie, die Streikenden durch sogenannte „Zugeständnisse“ zu spalten. Dazu gehören Ankündigungen, dass manche Berufsgruppen, aber auch alle älteren Jahrgänge, die vor dem Jahr 1975 geboren sind, von der Neuregelung des Rentensystems ausgenommen bleiben sollen, sich an ihren Renten also gar nichts ändern wird. Darüber soll ab dem 7. Januar in von der Regierung einberufenen Gesprächsrunden weiter verhandelt werden.

Aber das Hauptziel der Regierung bleibt unverändert. Sie will die Menschen durch späteren Rentenbeginn dazu zwingen, länger als bisher zu arbeiten. Gleichzeitig sollen sie durch eine Änderung der Berechnungsart eine generelle Absenkung der Rentenhöhe hinnehmen. Damit soll ein „Ausgleich“ in der Rentenkasse erreichen werden, ohne die profitablen Großunternehmen und reichen Vermögensbesitzer stärker zur Finanzierung von Sozialausgaben heranziehen zu müssen.

Die Gewerkschaftsbünde CGT, Solidaires, Force Ouvrière und FSU haben deshalb zusammen mit den Schüler- und Studentenverbänden MDL, UNL und UNEF für den 9. Januar zu einem weiteren landesweiten Aktionstag mit Streiks und Demonstrationen in ganz Frankreich aufgerufen,

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"Ins Neue Jahr und weiter", UZ vom 3. Januar 2020



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