Angst vorm Rechtsruck bringt Rot-Rot-Grün zum Zurückrudern

Kein neues PAG in Thüringen

Von Johanna Scheringer-Wright

Johanna Scheringer-Wright sitzt für die Partei „Die Linke“ im thüringischen Landtag.

Johanna Scheringer-Wright sitzt für die Partei „Die Linke“ im thüringischen Landtag.

Die Novellierung des Thüringer Polizeiaufgabengesetzes (PAG), wie im Koalitionsvertrag von der Partei „Die Linke“, SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschrieben, kommt nicht. Insbesondere Innenpolitiker der Fraktionen der Partei „Die Linke“ und Bündnis 90/Die Grünen können sich im gegenwärtigen gesellschaftlichen Klima nicht vorstellen, eine fortschrittliche Novellierung im Sinne des Koalitionsvertrages durchsetzen zu können. Denn inzwischen sind Teile der SPD mit einer Reduzierung von Polizeibefugnissen offensichtlich nicht mehr einverstanden. Nach Angaben des SPD-geführten Thüringer Innenministeriums will die Koalition ein mögliches (bundesweites) Musterpolizeigesetz abwarten. Die Innenminister der Bundesländer hätten sich bei einer Konferenz im vergangenen Jahr darauf geeinigt, gemeinsame Regeln zu schaffen.

Begründet wird dies mit der neuen Bewertung drohender Gefahren durch terroristische Akte und organisierte Kriminalität und der demzufolge notwendigen „Gefahrenabwehr“. Begrüßt von rechten Kräften wie der AfD und rechtskonservativen wie CSU und CDU wurden inzwischen in fast allen Ländern Novellen der Polizeiaufgabengesetze vorgelegt. Selbst Bundesländer wie Brandenburg und Berlin, in denen die Partei „Die Linke“ mitregiert, schließen sich diesem Trend an.

In Thüringen war die Partei „Die Linke“ im Wahlkampf 2014 damit angetreten, das totale „Versagen“ der Sicherheitsbehörden bezüglich der Mord- und Überfallserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) aufzuarbeiten. Der Verfassungsschutz sollte abgeschafft und die Thüringer Polizei bürgerrechtsfreundlich modernisiert werden.

Nach der Wahl wurde im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag zwar keine Abschaffung des Verfassungsschutzes verankert, aber immerhin festgelegt: „Wir wollen das Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (PAG) novellieren, um die Eingriffsbefugnisse auf das zur Gefahrenabwehr Notwendige und Anwendbare und damit verfassungsrechtlich unbedenkliche Maß zu reduzieren.“

Davon verabschiedet man sich jetzt.

Es wird befürchtet, dass gegenwärtig bei einer Öffnung des Gesetzes nur eine Verschärfung des ohnehin repressiven Thüringer PAG herauskommen könne.

Das ist nicht von der Hand zu weisen. So wurde zum Beispiel im Thüringer Landtag im Sommer 2017 ein Fünfländerverbund zur Einführung eines in Leipzig angesiedelten Zentrums für Telekommunikationsüberwachung verabschiedet. Unter den „Linke“-Parlamentariern gab es vorab durchaus Widerstand, auch weil zeitgleich publik geworden war, dass in Sachsen Personengruppen illegal abgehört worden waren. Bei einer einzigen Gegenstimme aus der Partei „Die Linke“ wurde mit allen übrigen Stimmen des Landtages dieses zentrale Abhörzentrum jedoch beschlossen.

Die Frage, die sich stellt, ist: Sollen Linke in Thüringen froh sein, dass keine Novellierung des PAG kommt, weil damit wenigstens eine Verschärfung verhindert wird? Oder wird vor dem Rechtsruck kapituliert? Offensichtlich ist das maximal Mögliche, das die Partei „Die Linke“ in der Regierung erreichen kann, die Erhaltung des Status Quo, in diesem Fall die Erhaltung eines alten CDU/SPD-PAGs.

Das ist ernüchternd und zeigt wiederum, was heute mehr denn je notwendig ist: die außerparlamentarische Organisation und breite Unterstützung von Protesten gegen die Polizeiaufgabengesetze der Länder, gegen die Repressionsgesetzgebung von der Bundesebene und gegen rechts.

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"Kein neues PAG in Thüringen", UZ vom 7. Dezember 2018



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