Parteivorsitzende kündigen Rückzug an. Parallel greifen Bartsch und Gysi Gründungskonsens an

Konflikt in der Linkspartei über Friedenspolitik

Die Linke sei „die Friedenspartei im deutschen Bundestag“ und „an der Seite der Friedensbewegung“, beteuerte ihr Kovorsitzender Bernd Riexinger am Montag in Berlin auf einer Pressekonferenz. Die sollte sich um seine und die Ankündigung seiner Partnerin an der Parteispitze, Katja Kipping, drehen, nach acht Jahren Ende Oktober auf dem Erfurter Parteitag nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren. Stattdessen stand plötzlich die Frage nach Verlässlichkeit in der Friedensfrage zur Debatte. Es charakterisiert die innere Situation der Partei am Ende der Amtszeit von Kipping und Riexinger, dass parallel zu ihren Rückzugserklärungen vom 28. und 29. August, die laut „Süddeutscher Zeitung“ seit März vorlagen, andere Führungskräfte massiv den friedenspolitischen Gründungskonsens der Partei in Frage stellten. Die Konflikte in der Partei um die NATO-Mitgliedschaft der Bundesrepublik und zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr brechen erneut auf.

Besonders weit gingen der Kofraktionsvorsitzende im Bundestag, Dietmar Bartsch, und der frühere Partei- und Fraktionschef Gregor Gysi, seit Mai Außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Den Startschuss hatte Bartsch am 16. August im „Deutschlandfunk“ gegeben. Er erklärte dort, es sei „absurd zu glauben, die Linken wollten eine Auflösung der NATO zur Voraussetzung für einen Regierungseintritt“ machen. Die Linke werde die NATO „nie auflösen“, das sei eine „Überschätzung sondergleichen“. Zudem sei seine Partei in der Außenpolitik „diskussionsfähig und regierungsfähig“. Zu Auslands-einsätzen äußerte er, es sei absurd anzunehmen, Linke würden sich an dem Tag, an dem ihre Partei Regierungsverantwortung übernehme, „in die Flugzeuge setzen und die Jungs zurückholen“.

Gysi versuchte in verschiedenen Interviews, das Thema NATO etwas zu entschärfen. Zwar fordere die Partei die Ersetzung der NATO durch eine „andere Struktur“ – aber das habe „mit der Koalition nichts zu tun“, so Ende vergangener Woche gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Sowieso habe die Partei „nie den Austritt Deutschlands aus der NATO gefordert“. Wenige Tage zuvor hatte er gegenüber „dpa“ erklärt, dass die NATO-Sache für Koalitionsverhandlungen „nicht so wahnsinnig dramatisch“ sei. Auch bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr könne man sich „verständigen“. Gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag“ vom 30. August erklärte er, dass seine Partei grundsätzlich zu den Bündnisverpflichtungen der NATO stehe.

Bereits das Interview Bartschs hatte am 24. August einen „Aufruf aus der Friedensbewegung an die Partei Die Linke“ zur Folge (im Internet: frieden-links.de). Darin warnen die etwa 1.000 Unterzeichner: Die von ihm angekündigte Politik bei Auslandseinsätzen, „die im Gegensatz zum Programm der Linken steht, darf nicht in die Realität umgesetzt werden. Sie dient nicht dem Frieden und widerspricht den Interessen der Menschen in den Kriegsgebieten und auch in unserem Land.“

Eine scharfe Reaktion kam am 31. August auch aus der Linkspartei selbst. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker unterzeichneten anlässlich des Antikriegstages eine Erklärung unter der Überschrift „Auslandseinsätze beenden – Rüstungsexporte verbieten!“. Darin heißt es: „Die Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist keine Frage, die mit anderen Parteien ‚diskursiv‘ geklärt werden könnte. Die Frage der Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Frage, wie wir zum Aufrüstungspakt NATO stehen, sind der Lackmustest unserer friedenspolitischen Glaubwürdigkeit.“

Hinzuzufügen wäre: Auch für die neuen Parteivorsitzenden.

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"Konflikt in der Linkspartei über Friedenspolitik", UZ vom 4. September 2020



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