„Die Linke“: Kampf um Richtungswechsel geht weiter

Frieden oder NATO

Karl-Heinz Peil

Volker Külow und Ekkehard Lieberam haben in der letzten Ausgabe der UZ die Entwicklung der internen Auseinandersetzungen um den künftigen Kurs der Partei „Die Linke“ kommentiert. Dabei wird zwar die Entwicklung des Diskurses innerhalb des letzten Jahres gut dargestellt, nicht jedoch auf einige Zuspitzungen in den letzten Wochen eingegangen. Diese haben vor allem zu energischen Reaktionen aus der Friedensbewegung geführt. Stein des Anstoßes war dabei, dass am 22. Juli das EU-Parlament eine Entschließung verabschiedete, in der unter anderem auch vom EU-Rat vorgesehene Kürzungen des EU-Verteidigungsfonds kritisiert wurden. Auch deutsche Abgeordnete der Linkspartei beziehungsweise der GUE/NGL-Fraktion im EU-Parlament stimmten dafür. (Siehe UZ vom 7. 8.).

Als Reaktion hierauf richteten mehrere Aktive aus der Friedensbewegung einen Appell an die Mitglieder der Partei „Die Linke“ im EU-Parlament mit der Aufforderung, „diese Fehlentscheidung zu korrigieren und bei allen Entscheidungen konsequent gegen jede Form der weiteren Militarisierung EU-Europas zu stimmen“ (UZ vom 21. 8.). Kurz darauf wurde man im Kreis dieser Kritikerinnen und Kritiker mit einem Interview von Dietmar Bartsch gegenüber dem „Deutschlandfunk“ konfrontiert mit Sätzen wie diesen: „Ehrlich gesagt, ‚Die Linke‘ wird die NATO nie auflösen. Also, das ist eine Überschätzung sondergleichen, das ist auch absurd, dieses Beispiel immer anzuführen. Niemand glaubt das doch ernsthaft, auch nicht in der ‚Linken‘, dass wir als Voraussetzung für einen Regierungseintritt sagen, NATO auflösen, vorher sprechen wir gar nicht. Es ist völlig absurd.“ Weiterhin fällt in dem Interview noch der Satz: „Sie haben darauf hingewiesen, dass wir jetzt ja einen neuen Sprecher haben mit Gregor Gysi, das ist nicht ganz ohne mein Zutun passiert, dass wir dort auch in der Außenpolitik mit klaren Positionen dann auch diskussionsfähig sind und am Ende des Tages werden wir auch auf diesem Feld regierungsfähig sein.“ Welche Bedeutung diese Aussage hat, wurde letzten Freitag klar, als von Gregor Gysi in einem Interview des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (veröffentlicht im „Tagesspiegel“ und der „Frankfurter Rundschau“) ziemlich eindeutig ein außenpolitischer Kurswechsel eingefordert wurde: „Für die Linken sind 30 Jahre in der Opposition genug. Wir müssen mal eine andere Rolle spielen.“

Der bereits nach dem Bartsch-Interview initiierte neue „Aufruf aus der Friedensbewegung an die Partei ‚Die Linke‘“ wurde mit über 100 Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichnern am 24. August von den acht Initiatoren (des oben genannten vorangegangenen Aufrufs) vorgestellt und gleichzeitig eine Website zur Online-Unterschriftensammlung freigeschaltet. Mit dem Aufruf sollen diejenigen Funktionsträger in der Partei gestärkt werden, die sich bisher entschieden für friedenspolitische Positionen eingesetzt haben und innerhalb der Friedensbewegung einen guten Ruf besitzen. Damit verbunden soll innerhalb der Partei die parlamentarische Vertretung auf Bundesebene als verlängerter Arm sozialer Bewegungen und speziell auch der Friedensbewegung wieder wahrgenommen werden. Auch wenn bei den bisherigen Unterzeichnern überwiegend Mitglieder und Funktionsträger der Partei „Die Linke“ ausgewiesen sind, richtet sich der Aufruf ebenso an Friedensbewegte außerhalb der Partei. Damit die Linkspartei friedenspolitisch nicht denselben Weg geht wie SPD und Grüne, muss damit sichtbar werden, dass politische Veränderungen nicht durch blinde Ausrichtung auf Regierungsbeteiligung, sondern durch starke außerparlamentarische Bewegungen mit einem parlamentarischen Arm als medialem Multiplikator möglich werden.

Die bisherigen Reaktionen auf den Aufruf sind ermutigend. In einer Ende letzter Woche initiierten innerparteilichen Erklärung zum Antikriegstag von Sevim Dagdelen, Ulla Jelpke, Heike Hänsel und Tobias Pflüger wird explizit auf den Gründungskonsens und rote Haltelinien für Regierungsbeteiligungen hingewiesen. Am letzten Montag wurde die aktuelle innerparteiliche Kontroverse um Bartsch und Gysi auch im „Neuen Deutschland“ thematisiert, mit Verweis auf den Aufruf aus der Friedensbewegung. Es bleibt spannend und eine massive, breite Unterstützung des Aufrufes wäre erfolgversprechend.

Der Aufruf kann unterzeichnet werden unter frieden-links.de

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"Frieden oder NATO", UZ vom 4. September 2020



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