Informative Broschüre zum „Rechtsrock“ in Schleswig-Holstein

Konspirative Szene

Von Birgit Gärtner

„,Heimatliebe’, Nationalismus, Rassismus – Von Frei Wild bis Rechtsrock“

Die Broschüre kann gegen Porto bestellt werden bei Aktion Kinder- und Jugendschutz S-H e. V., Holtenauer Straße 238, 24106 Kiel

Oder kostenlos als PDF unter: info@akjs-sh.de, www.akjs-sh.de

Im Jahr 1989 gründete sich im holsteinischen Itzehoe die Nazi-Band „Kraftschlag“. Zu dem Zeitpunkt spielte Rechtsrock noch keine große Rolle. Dennoch erlangte „Kraftschlag“ in der rechten Szene schnell große Bedeutung und pflegte von Anfang an enge Beziehungen zu dem in der BRD verbotenen Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“ (Blut & Ehre).

Doch schon längst hat die Szene die Bedeutung von Musik und Musikveranstaltungen entdeckt. Gut 25 Jahre später gibt es hierzulande 178 aktive Rechtsrock-Bands, plus 25 bis 30 aktive rechte Liedermacher. Etwa 100 Firmen produzieren und verbreiten heute Tonträger und organisieren Konzerte, illegale Events, aber auch ganz offizielle Musikveranstaltungen der NPD oder der Partei „Die Rechte“, an denen bisweilen mehr als tausend Personen teilnehmen.

„Der Rechtsrock hat die extreme Rechte in Deutschland verjüngt und „modernisiert“, schreibt der Sozialpädagoge Jan Raabe in der Broschüre „Heimatliebe, Nationalismus, Rassismus – von Frei Wild bis Rechtsrock“. Problematisch sei allerdings nicht die Musik, sondern deren Inhalt. „Im Gegensatz zu Parteiprogrammen und Flugblättern wird Musik als ein unterhaltendes und Gefühl vermittelndes Medium angenommen und ist so in der Lage, auch politische Botschaften eindrücklicher zu vermitteln.“

Die meisten dieser Konzerte sind illegal und konspirativ. Schon vor Jahren beschrieb der Hamburger Journalist Andreas Speit die identitätsstiftende Wirkung, die diese musikalischen „Abenteuer“ auf Jugendliche haben. Alles geht ganz stiekum zu: Verabredungen und Abfahrtsorte müssen geheim bleiben, oft wissen die Kids nicht einmal, wohin die Reise schließlich geht. Der Reiz des Verbotenen erhöht die Attraktivität solcher Events ungemein. Die Geheimniskrämerei stärkt sowohl das Zusammengehörigkeits- als auch das Selbstwertgefühl. So wird den Jugendlichen der Eindruck vermittelt, etwas Besonderes zu sein und einem erlauchten Kreis anzugehören.

100 Musik-Labels gibt es, die CDs und Fan-Artikel der Nazi-Bands sowie Klamotten vertreiben. Auch wenn die meisten kleine Klitschen sind, da kommt einiges an Geld zusammen. Das fließt direkt in die Kassen rechter Organisationen und Parteien, vor allem aber garantiert es den Betreibern der Firmen ein Auskommen und somit die materielle Grundlage für ihre politische Arbeit.

Ein in der Broschüre allerdings nicht genanntes Beispiel dafür ist der Internetshop „Streetwear“, der von dem Neonazi Stefan Silar betrieben wird. Silar prügelte am 18. März 1992 zusammen mit seinem Kumpanen Stephan Kronbügel den Kapitän Gustav Schneeclaus zu Tode. Dafür wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt.

Im Knast knüpfte er Kontakte zu dem Blood&Honour-Netzwerk. Nach seiner Entlassung organisierte er Rechtsrockkonzerte, und sorgte mit dem „Saalschutz Nordmark“ für die Sicherheit der Konzerte, unter anderem auch für die Band „Kategorie C – Hungrige Wölfe“. Diese Rechtsrockband ist bis heute eine der bekanntesten in der bundesdeutschen Szene und spielte u. a. 2014 bei einer HoGeSa-(Hooligans gegen Salafisten)-Demo in Hannover.

2005 war Silar im „Combat 18 Pinneberg“-Prozess mitangeklagt. Der Gruppe wurde Planung und Durchführung von gewalttätigen und terroristischen Aktionen in Schleswig-Holstein vorgeworfen. „Combat-18“ hatte von „szenetreuen“ Rechtsrockverbünden Schutzgeld erpresst und Neonazis, die die Entwicklung nach dem „Blood & Honour“-Verbot kritisierten, abgestraft und verprügelt.

Im selben Jahr eröffnete er im niedersächsischen Tostedt „Streetwear“ zunächst als Einzelhandelsgeschäft. Dort verkauft er von Rechtsrock-CDs über Waffen wie Quarzsandhandschuhe und Pfefferspray alles, darunter auch die rechten Modemarken „Thor Steinar“ und „Eric & Sons“. Der Laden diente zudem als Treffpunkt für die Naziszene von Tostedt und der umliegenden Dörfer. Im Jahr 2013 musste er das Geschäft wegen der Neubebauung des Straßenzuges aufgeben. Der Internetshop existiert bis heute.

Silar ist ein typisches Beispiel für einen extrem gefährlichen, umtriebigen und gut vernetzten Aktivisten der rechten Szene. Auch in der Broschüre wird darauf hingewiesen, dass es keine explizite Rechtsrock-Szene in Schleswig-Holstein gibt, sondern dass braune Musiker aus dem Bundesland in anderen Regionen auftreten – und umgekehrt.

Ausgehend vom Beispiel Schleswig-Holstein bietet die Broschüre einen Überblick über das Rechtsrock-Netzwerk, verschiedene Akteure und Musikstile, Inhalte wie Rassismus und Antisemitismus, übersteigerten Männlichkeitskult und Sexismus, bis hin zur Arbeit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien im Spannungsfeld zwischen Jugendschutz und Meinungsfreiheit, bzw. Freiheit der Kunst. Die Autoren sind Experten zum Thema extreme Rechte, rechte Musik, Pädagogen oder Musiker. Auch wenn die Broschüre primär für Sozialarbeit in Schleswig-Holstein konzipiert wurde, lohnt sich die Lektüre allemal auch in anderen Bundesländern.

„,Heimatliebe’, Nationalismus, Rassismus – Von Frei Wild bis Rechtsrock“

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"Konspirative Szene", UZ vom 19. Juni 2015



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