Wen kümmert die Rechtslage? Bundesregierung bereitet Enteignung von Rosneft vor

Legal, illegal, scheißegal

Jahrzehntelang war eines sicher für den ganzen Nordosten der Republik: Um die Versorgung mit Erdölprodukten kümmert sich PCK, das „Petrochemische Kombinat“ in Schwedt. Zu DDR-Zeiten und selbst noch in den ersten Jahrzehnten nach der Konterrevolution stellte das PCK von Bitumen bis zum Heizöl zuverlässig alles her, was für Mobilität und warme Zimmer wichtig ist. Durch die Druschba-Pipeline war PCK an die Erdölquellen Sibiriens angeschlossen. Mit Beginn des deutschen Wirtschaftskrieges gegen Russland im Frühjahr 2022 war es mit dieser zuverlässigen Versorgung vorbei. Vorbei war es ebenso mit der Sicherheit der über 1.200 Arbeitsplätze in der Raffinerie und weiterer tausender Jobs im Zulieferer-Umfeld.

Im September 2022 stellte das von Robert Habeck (Grüne) geführte Bundeswirtschaftsministerium PCK unter Treuhandverwaltung. Der Mehrheitseigner der Raffinerie, der russische Rosneft-Konzern, verlor seine Herrschaft über das operative Geschäft. Mit viel Gewürge gelang es, einen Großteil des verschmähten russischen Öls durch Lieferungen durch Tanker aus allen Teilen der Welt zu ersetzen. Eine besondere Rolle spielte dabei Polen – über den Hafen Gdansk werden die meisten der Lieferungen abgewickelt, die früher per Pipeline direkt aus Russland kamen. Im Herbst 2023 flackerte kurz die Meldung auf, der polnische Konzern Unimot verhandele mit Shell über dessen 37,5-Prozent-Anteil am PCK. Seit Sommer 2023 versucht die polnische Regierung laut Presseberichten, die deutschen Kollegen zu motivieren, Rosneft endgültig aus PCK herauszudrängen, um „den Weg für polnische Investoren freizumachen“.

Nun scheint Butter bei die Fische zu kommen, wie der Norddeutsche zu sagen pflegt. Das Bundesverwaltungsgericht, bei dem Rosneft gegen die Entmachtung im eigenen Tochterunternehmen geklagt hatte, genehmigte die Treuhandverwaltung zwar für sechs Monate als Übergangslösung. Es wies aber zugleich darauf hin, dass dies mit Blick auf das Grundgesetz und internationale Handelsregeln keine Dauerlösung sein könne.

Zweimal schon hat sich Habeck mit dem Hintern auf dieses Urteil gesetzt und die Treuhandverwaltung um jeweils weitere sechs Monate verlängern lassen. Aber nun zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung entschlossen ist, das Provisorium zu beenden – möglicherweise auch mit Blick auf die schlechten Erfahrungen mit dem Bundesverfassungsgericht. Im März läuft die aktuelle Verlängerung der Treuhandverwaltung aus. Statt aber Rosneft wieder in seine Rechte einzusetzen, soll der Konzern laut Presseberichten nach Artikel 14 Grundgesetz enteignet werden.

Das wird ein heißer Ritt. Das Grundgesetz sieht Enteignungen nur „aufgrund eines Gesetzes“ vor, „das Art und Ausmaß der Entschädigung“ regelt. Die Vermögenswerte von Rosneft am PCK und einigen anderen kleineren Beteiligungen werden auf sieben Milliarden Euro geschätzt. Aber selbst bei der Zahlung dieser Summe wäre die Enteignung aufgrund internationalen Rechts ohne Zustimmung von Rosneft nicht möglich. Denn noch ist das 1989 zwischen Deutschland und der Russischen Föderation geschlossene Investitionsschutzabkommen in Kraft, das solche Willkürakte ausschließt. Das Dramatische an der gegenwärtigen Debatte ist, dass trotz dieser nationalen und internationalen Rechtslage an dem Projekt der Zwangsenteignung von Rosneft weitergearbeitet wird.

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"Legal, illegal, scheißegal", UZ vom 23. Februar 2024



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