Gender-Marketing: Aufreger oder Umsatzbringer?

Mädels grillen anders

Von Gretchen Kallenberg

Müssen es Cocktails für „Mädels“ und Grillideen für „Kerle“ sein, für Mädchen rosafarbene Cover mit Elfen und für Jungen blaue mit Autos? Eine Erkenntnis einer kleinen Recherche im deutschen Buchmarkt: Männer in der Branche haben offenbar Berührungsängste bei diesem Thema – und Frauen sind sich zumindest in einem Punkt einig: Es gibt gute Gründe dafür, dass die in der Buchbranche Tätigen, beim Thema Gender-Marketing sensibel sind. Schließlich ist es eine Branche, in der Sprache eine zentrale Rolle spielt, und gleichzeitig es geht um einen Markt, der heiß umkämpft ist. Viele Buchhändler(innen) und Verleger(innen) sind sich darüber im Klaren, dass Geschichten und Protagonisten, Bilder und Farben, vermutlich selbst einzelne Worte wie „Mädels“ Ideen und Vorstellungen transportieren, implementieren, auch zementieren können.

Was steht in den Verkaufsregalen oder liegt auf den Tischen? „Mädchen grillen anders“ (bei Löwenzahn). Eine clevere Idee, denn es gibt bereits zahlreiche Grillbücher, in denen das Gleiche steht, und jetzt wollen Verlage dem eine neue Nuance hinzufügen. Buchtitel nach dem Motto „Rezepte für den perfekten Mädelsabend“ findet man, ebenso Veranstaltungen wie „Ladies Nights“ oder „Freundinnen-Abende“. Glitzercover werden gestaltet, Bücher ganz in Rosa eingebunden, auch Prinzessinnenbücher wie Isabel Abedis „Heute ist Lucy Prinzessin“ ebenso wie „Die Prinzessin, die Kuh und der Gartenheini“, oder der Titel „Auch Prinzessinnen müssen mal pupsen“.

Phantastik- und Elfenbücher, die sehr weiblich aussehen, stehen ebenfalls im Buchpalast-Regal. „Selection“ zum Beispiel: Diese Reihe mit den kitschigen Covern entlockte Leserinnen angeblich geradezu Entzückensschreie. In der Unterhaltungsliteratur wird schon lange Gender-Marketing betrieben, der Leser ist meist eine Leserin, der Käufer eine Käuferin, und für viele Titel haben Verlage das sehr genau im Blick. In den letzten Jahren brachten sie zwar keine altbackenen Koch- und Nähbücher für die brave Hausfrau mehr auf den Markt, aber nach wie vor Koch- und Handarbeitsbücher, die ganz gezielt für das weibliche Geschlecht konzipiert sind. Oder Frauenromane: Schmöker, die garantiert kein Mann anfasst.

Hier wird lange schon und offen Gendermarketing betrieben, auch mit Blümchen und Herzchen. Frauenromane sind keine feministischen Highlights. Warum aber werden sie eher durchgewinkt, während sich die Gemüter bei Rezepten für den „perfekten Mädelsabend“ erhitzen? Immer mehr und deutlicher wird mit klischeehaftem Gender-Marketing operiert, im gesamten Einzelhandel, nicht nur auf dem Buchmarkt. Vor allem die Produktwelt für Kinder wird üppig in Rosa und Blau getaucht, scheint geradezu vor Pink und Glitzer zu explodieren. Das gilt auch fürs Kinderbuch. Prinzessinnen und Feen winken den Mädchen zu, während Piraten und Autos die Jungs zum Lesen verführen sollen. Da wird starker Druck besonders bei Müttern aufgebaut, der durch Gender-Marketing erzeugt wird, vor allem, weil es immer schwerer wird, sich den rosafarbenen Produktwelten im Supermarktregal, im Modeladen oder eben auch in der Buchhandlung zu entziehen.

Entscheidend für die Verlage ist, dass mit dem Cover und dem Titel Emotionen geweckt werden, die wirken. Zielgruppenmarketing bedeute allerdings nicht, dass sich unter dem Cover auch entsprechend geschlechtsspezifische oder gar sexistische Inhalte verbergen. Man findet Rezepte für Drinks, die Frauen wie Männer genießen können, natürlich ist ein solches Cocktailbuch unter Gender-Aspekten weniger anstößig als die von „50 Shades of Grey“. Mich wundert, dass es Beschwerden über „Mädels-Cocktails“ gibt, nicht aber in diesem Maße über einen Roman mit fragwürdigen Rollenbildern, der sich millionenfach verkauft hat.

Die Idee ist, Rosa und Blau zu nutzen, um Bücher verkaufen zu können, mit denen dann bunte Geschichten erzählt werden. Insbesondere bei Lizenztiteln wie „Mia and me“ wird es sehr pink, mädchen- und elfenhaft. Mädchen, die in Rosa gehüllt Rollenbilder durchbrechen, sind manchen VerlegerInnen und BuchhändlerInnen wichtig und es gibt auch solche Titel. Im Büchern für Jungens gibt es solche Abweichungen von tradierten Rollenbildern dagegen nicht, anscheinend meint man, dass niemand solche Bücher kauft, für Jungs sind Rollenbilder festergeschrieben als für Mädchen. Und weitergereicht werden sie von den Eltern und vom Umfeld.

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"Mädels grillen anders", UZ vom 30. Juni 2017



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