Sabotage bei der Bahn ruft Sicherheitsfanatiker auf den Plan

Mehr, mehr, mehr Militär

Kolumne

Das Schüren von Ängsten in der Bevölkerung, um den Ausbau von Aufrüstung und Überwachung zu legitimieren, klappt in der Krise am besten, das wissen die Herrschenden. Hat ja auch mit dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr geklappt – leidlich zwar, aber es hat geklappt. Nicht wenige haben die immer wiederkehrende Mär von der angeblich seit Jahrzehnten kaputtgesparten deutschen Armee zwar durchschaut, die großen Massenproteste blieben aber bisher aus. Wie schafft das Militär nur all die Auslandseinsätze rund um die Welt, wenn doch angeblich alle Panzer und Hubschrauber kaputt sind? Nebensächlich, solange die Story funktioniert.

Warum also nicht noch einen obendrauf setzen? Nach den Anschlägen auf Nord Stream 1 und 2 und dann auf das Netz der Deutschen Bahn mit dem weitreichenden Ausfall des Zugverkehrs am 8. Oktober sind natürlich alle „Sicherheitspolitiker“ in heller Aufruhr. Es gelte die „kritische Infrastruktur“ (Kritis) besser zu schützen. Die Kritis besteht aus sehr vielen Einrichtungen in den Bereichen Energie, Verkehr, Wasser, Ernährung, Staat und Verwaltung, Gesundheit, Informationstechnik und Telekommunikation. Da gibt es sehr viel zu schützen. Sofort sind alle „Sicherheitsexperten“ zur Stelle und sind sich auch alle einig: Der Schutz ist viel zu wenig, wir brauchen mehr, mehr, mehr.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verspricht der Nation, unverzüglich das schon im Koalitionsvertrag vereinbarte „Kritis-Dachgesetz“ zu verabschieden. Sie beeilt sich zu versichern, dass alles getan werde, um sich umfassend gegen Gefahren wie Naturkatastrophen, Terrorismus und Sabotage zu wappnen.

Im Wasser zeige die Bundespolizei bereits mit allen verfügbaren Kräften und Schiffen eine deutlich verstärkte Präsenz. Alles, was schwimmen könne, sei draußen, versichert die Seehofer-Nachfolgerin. Außerdem verfüge die Bundespolizei über eine spezielle Ausbildung zur Intervention in entsprechenden Gefahrenlagen. Moderne Polizeihubschrauber, neue Schiffe und die Fähigkeiten ihrer Spezialkräfte, alles da und einsatzbereit. Na, dann müsste doch alles in Ordnung sein, aber weit gefehlt. Es sei ihr sehr wichtig, die Bundespolizei für ihre Aufgaben weiter zu stärken, verkündet Faeser weiter. Da wäre Sparen sicher der falsche Weg, am Ende landet das Steuergeld noch im Topf „Soziales“. Nein, 1.000 neue Stellen bei der Bundespolizei müssen her, außerdem legt sie noch 1,5 Milliarden Euro für bis zu 44 neue Transporthubschrauber oben drauf. Seltsam, doch nicht alles in Ordnung oder ist einfach nur der Moment so verlockend günstig?

Der Rest ist schnell erzählt: Den Grünen geht es nicht schnell genug mit dem „Sicherheits-Gesetz“ und so schimpfen sie auf ihrem Bundesparteitag in Bonn wild drauflos. Andrea Lindholz (CSU) denkt gar, das Vertrauen der Menschen in die Wehrhaftigkeit der Demokratie werde riskiert. Es brauche bei der aktiven Cyberabwehr auch „moderne Befugnisse für die Sicherheitsbehörden“. Ein mittelmäßiger Euphemismus für noch mehr Repression und Überwachung.

Der Kontext ist natürlich der Ukraine-Krieg, das wird auch medial gern betont. Keiner sagt, wer es gewesen sein muss, aber ist doch klar, oder etwa nicht?

Anschläge auf die Infrastruktur der Deutschen Bahn sind nicht wünschenswert, aber neu sind sie auch nicht. Wer Zeit hat, kann ja mal googeln und die Stufe der gespielten Empörung vergleichen. Aber so ein äußerer wie unsichtbarer Feind kann in der Krise so schön zusammenschweißen. Da friert es sich doch gleich viel besser „für die Freiheit“, könnten sich die „Sicherheitsstrategen“ denken.

Wie immer kommt es auf den Kontext an: Nieder mit Krieg und Inflation!

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"Mehr, mehr, mehr Militär", UZ vom 21. Oktober 2022



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