Verbotsurteil der Partei UPP in Südkorea ist mit dem der KPD fast identisch

Militarisierungsgegner im Visier: Das KPD-Verbot in Südkorea

Von Choi Hohyun

Unser Autor ist Student der Rechtswissenschaft und Mitarbeiter des Komitees für die Freilassung des wegen Hochverrat verhafteten Abgeordneten Lee Seok-Ki. Außerdem schreibt er für die koreanische Zeitung „Voice of People“.

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Das KPD-Verbot scheint in der gegenwärtigen deutschen Gesellschaft ein völlig vergessenes Thema zu sein. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass es 60 Jahre später in Südkorea wiederbelebt wurde.

Am 5. November 2013 stellte die rechtskonservative Regierung unter Präsidentin Park Geun-Hye einen Antrag auf Verbot einer linken Partei, der Vereinigten Fortschrittspartei (UPP). Nach 18 öffentlichen Verhandlungen erklärte das Verfassungsgericht die UPP für verfassungswidrig. Ihre fünf Abgeordneten im Nationalparlament verloren ihre Mandate, auch das Parteivermögen wurde vom Staat eingezogen.

Im UPP-Verbotsantrag stellte der Justizminister Hwang Kyo-Ahn das KPD-Verbotsurteil als ein Musterurteil dar und legte die gesamten Texte des Urteils als Beweismaterial vor. Unter diesen Umständen wurde das Wort „KPD-Verbot“ eines der beliebtesten Wörter der rechtskonservativen Medien Südkoreas.

Was steht hinter den beiden Urteilen?

Es ist kein Wunder, dass ein vor 60 Jahren in Deutschland gefallenes Urteil und das UPP-Verbotsurteil viele Punkte gemeinsam haben – beide haben ähnliche politische und geographische Hintergründe.

Der Auslöser für den KPD-Verbotsantrag war der Widerstand der KPD und der Antikriegskräfte gegen die Remilitarisierungspläne der Adenauer-Regierung. Hinter dem UPP-Verbotsantrag standen ebenfalls Proteste der UPP und ihrer Anhänger gegen die provokative „Pivot-to-Asia“-Strategie des US-Präsidenten Barack Obama sowie gegen die Kriegspolitik der rechtskonservativen Regierung.

Nach dem Ausschalten der Antikriegspartei verstärkte die südkoreanische Regierung unter dem Druck der USA die militärischen Beziehungen mit Japan. Untersützt von USA und südkoreanischer Regierung ging Premierminister Shinzo Abe dran, Japan wieder zu militarisieren. Als zweiten Schritt kündigte die Regierung Südkoreas die Stationierung des US-amerikanischen THAAD-Raketenabwehrsystems an. Angesichts der Proteste gegen THAAD propagiert die Regierung und regierungsnahe Medien, dass hinter den Demonstrationen verfassungswidrige Funktionäre der UPP stehen. Dadurch versucht sie, die Protestierenden abzuschrecken, zu kriminalisieren und zu spalten. Es ist das Ziel des UPP-Verbots: Ausschalten aller Gegner der Kriegstreiberei.

Gegen alle Andersdenkenden

KPD-Verbot wie auch das Verbot der UPP sind Gesinnungsurteile. Beide sind auf die allgemein bekannte Zielstellung der linken Partei oder auf die marxistisch-leninistische Lehre gerichtet. Im Fall der UPP geht es um das Ziel der „Progressiven Demokratie“, im Fall der KPD um die „Diktatur des Proletariats“. Die Richter warfen der UPP vor, ihre wahren Ziele zu verbergen. Dieses sei, einen Sozialismus nordkoreanischer Prägung auf die südkoreanische Gesellschaft übertragen zu wollen. Wenn wir das Wort „Nordkorea“ durch „DDR“ oder „UdSSR“ ersetzen, wären beide Verbotsurteile zum großen Teil identisch.

Dieser Charakter wird deutlicher in den im Vorfeld des Parteiverbots unternommenen politischen Verfolgungen.

So wie FDJ-Mitglieder, Friedensaktivisten sowie linke Politiker bereits vor dem KPD-Verbotsverfahren wegen Hochverrats verurteilt wurden, begann eine Verhaftungswelle wegen des Verdachts auf Hochverrat bereits 18 Monate vor dem UPP-Verbot.

So wie Fritz Rische, ein kommunistischer Bundestagsabgeordneter, mit der Begründung verhaftet worden war, er habe in einer öffentlichen Versammlung über das Programm der nationalen Wiedervereinigung gesprochen, wurde auch ein Abgeordneter der UPP, Lee Seok-Ki, wegen der Agitation zum Hochverrat zu neun Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Begründet wurde der Vorwurf damit, dass er in einem Vortrag aufgerufen hat, materielle Vorbereitungen zu treffen, um den damals erwarteten Luftangriff auf Nordkorea durch die US-Luftwaffe zu verhindern.

Die Gemeinsamkeit der beiden Urteile liegt drittens in der Ausprägung der politischen Justiz. Dies ist darin veranschaulicht, dass das historisch schwerwiegende Parteiverbotsurteil innerhalb nur eines Jahres und nach 20 Verhandlungstagen erging. Verfassungsrichter sollten in zwei Monaten die vorgelegten 3815 Verhandlungsdokumente überprüfen, deren Gesamtumfang 160 000 Seiten betrug. Wie können neun Richter in nur zwei Monaten 160 000 Seiten Dokumente prüfen? Ohne den Druck der Regierung wäre dieses außergewöhnlich schnelle Verfahren nicht möglich gewesen.

Schließlich wirkten und wirken beide Verbotsurteile sich über den Kreis der unmittelbar Betroffenen hinaus aus. Nicht nur KPD-Mitglieder, sondern auch linke Gewerkschafter, Friedensaktivisten usw. waren von der massiven Repression betroffen. Auch alle fortschrittlichen Kräfte Südkoreas sind nach dem UPP-Verbotsurteil der Unterdrückung seitens der rechtskonservativen Regierung ausgesetzt. 13 Monate nach dem UPP-Verbotsurteil wurde die unabhängige Lehrergewerkschaft Koreas vom Gerichtshof für illegal erklärt. Einen Monat zuvor wurde der Vorsitzende des unabhängigen Gewerkschaftsbunds unter dem Verdacht der Organisierung illegaler Demons­trationen angeklagt und in einem ersten Gerichtsurteil zu fünf Jahren Gefängnisstrafe verurteilt – eine außergewöhnlich schwere Strafe.

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"Militarisierungsgegner im Visier: Das KPD-Verbot in Südkorea", UZ vom 2. September 2016



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