Warum man bei Union nicht überschnappt

Nachhaltigkeit als windschiefer Überbau

Kolumne vom stehplatz aus betrachtet von Ulrich Peters

Seit Jahren wird verstärkt über die Nachhaltigkeit der Bundesliga diskutiert. Union macht dabei gar keine schlechte Figur, was sich insbesondere auf das Catering gründet: Das Grillgut gibt’s im Brötchen, Senf und Ketchup aus dem Spender. Die Getränke wiederum werden in Mehrwegbechern verkauft und weil die neuerdings Henkel haben und sich ineinanderstecken lassen, braucht’s seit dieser Saison sogar beim Erwerb größerer Mengen keine Tragepappen mehr. Auch bei den Fanshop-Artikeln wird längst auf Öko-Standards und Fair-Trade geachtet, wofür es die „Dufte“-Produktlinie gibt. Nur das prinzipielle Problem, nämlich der Wachstumszwang, dieser ökonomisch getriebene Drang zur Produktion von immer mehr Waren, wird selten in Frage gestellt. Wenn doch, sind es eher die Fans, die dabei freilich weniger eine Fundamentalkritik am marktwirtschaftlichen System üben, sondern einfach gegen die überbordende Kommerzialisierung anstinken wollen. So mehren sich im Berliner Südosten die Stimmen, die Union auf dem Weg zur „Modemarke mit angeschlossener Fußball-Abteilung“ sehen.

Logo Stehplatz Kolumne - Nachhaltigkeit als windschiefer Überbau - Union Berlin, Vom Stehplatz aus betrachtet - Die letzte Seite

Aber das nur nebenbei. Sowieso kann Union mit dem bisschen Nachhaltigkeit längst nicht triumphieren, denn der Primus der „grünen“ Tabelle war letzte Saison der VfL Wolfsburg. Dies gelang durch allerlei Maßnahmen – auch dadurch, dass man, wie das Öko-Magazin „Global“ schrieb, die Rasenplätze „mit Gauwasser“ bewässere. Tja, dachte ich mir, das ist in der Stadt des KdF-Wagens auch nur angemessen, fand dann aber heraus, dass dieses Zeug (gering verschmutztes Abwasser) „Grauwasser“ heißt.

Egal, denn am Ende geht‘s auch neben dem Platz um die Wurst. Und hier ist was ganz Schlimmes passiert: Union hat im veganen Stadionranking, das jährlich vom Missionsdienst „Peta“ veröffentlicht wird, den letzten Platz verloren. Angeblich gibt es an der Alten Försterei jetzt „Pita mit Tofu“ zu kaufen, und zwar in milder und pikanter Variante, was „Peta“ doppelt wertete, um uns ins untere Mittelfeld hochzujazzen. Mannomann! Veganer Spitzenreiter ist übrigens RB Leipzig, bei denen es nebst Linsensuppe und Falafelteller auch fleischersatzgefülltes Allerlei gibt. Mich wundert‘s nicht: Bei einem Fußballverein, der eigentlich kein Fußballverein ist, kriegt man natürlich auch Würste, die eigentlich keine Würste sind. Alles heiße Luft, aber sie sind stolz drauf.

Derweil entwickelt sich noch eine weitere Debatte: Der Verein „Pro Rauchfrei“ hat den mangelnden Schutz der Nichtraucher in den Stadien kritisiert, die dauernd vollgequalmt würden. Nur in wenigen Stadien sei das Rauchen untersagt, anderswo behelfe man sich mit rauchfreien Familienblöcken. Dies benachteilige aber eine klare Mehrheit, indes doch eher die Minderheit der Raucher in gesonderte Bereiche verbannt werden müsste.

Ich unterstelle mal, dass es dem Verein weder um allgemeine Gerechtigkeit geht (sie fordern ja auch keine Séparées für Raucher in der Bahn) noch um wirklich bessere Luft (was ist ein Raucher gegen ein SUV?), sondern um das Partikularinteresse ihrer Mitglieder. Es fällt jedenfalls auf, dass hier nicht Stadionbesucher am Werk sind, die ein Problem artikulieren, sondern irgendwelche Apostel eines grüngewaschenen Kapitalismus, für die selbst deutsche Panzer im Kampfeinsatz völlig okay sind, solange die nur mit Bio-Kraftstoff fahren.

Union ist definitiv das Schmuddelkind der Liga, denn hier darf weiterhin im ganzen Stadion geraucht werden. Auf Nachfrage des Rundfunks Berlin-Brandenburg teilte Union mit, dass das Thema Nichtraucherschutz bei den regelmäßigen Spieltagsumfragen so gut wie nie Resonanz finde und man ohnehin eher auf das rücksichtsvolle Miteinander der Menschen setze als auf Verbote. Und so möge es auch bleiben. Eisern Union!

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Nachhaltigkeit als windschiefer Überbau", UZ vom 22. November 2024



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit