Ägypten in BRICS-plus

Neuer Anlauf zur Unabhängigkeit?

Zwar ist die BRICS-Organisation primär ein ökonomischer Verbund, dennoch spielen geostrategische Aspekte in einer imperialistisch strukturierten Welt eine große Rolle, wie das Beispiel Argentinien zeigt. Die BRICS-Erweiterung entspricht in ihrer Schwerpunktsetzung vor allem diesen geoökonomischen und geostrategischen Erfordernissen. Es geht um Energie­ressourcen und den Einfluss in einer der strategisch wichtigsten Regionen der Erde. Ägypten, bis auf die Nasser-Ära seit 150 Jahren unter angloamerikanischem Einfluss, hat sich auf den schwierigen und mit zahlreichen Hindernissen verstellten Weg zur Wiedererlangung nationaler Souveränität begeben. Anders als etwa Saudi-Arabien und die VAE verfügt Ägypten nicht über die Fähigkeit, seine 100-Millionen-Bevölkerung aus dem Fossilenergiegeschäft zu versorgen. Seine Strukturprobleme machen das Land in erheblicher Weise verwundbar und von US-Zahlungen abhängig.

Dennoch ist die Mitgliedschaft dieses größten und strategisch bedeutenden afrikanischen Landes für die BRICS-Gemeinschaft ein wichtiger Erfolg. Zusammen mit Saudi-Arabien, Iran, den VAE und den zukünftigen Aufnahmekandidaten sind die wichtigsten arabisch-islamischen Fossilenergiestaaten nun mit an Bord. Da ist nicht nur die jahrtausendealte Kultur, da ist auch der mit dem Namen Nasser verbundene Kampf gegen Fremdherrschaft und für nationale Unabhängigkeit. Die Suche nach Alternativen hat ein gewaltiges Momentum bekommen.

Ökonomische und monetäre Unabhängigkeit sowie Sanktionsresilienz sind zentrale Aufgaben der BRICS-Gemeinschaft, da das US-Imperium seine ökonomische und finanzielle Macht immer stärker als außenpolitische Waffe einsetzt. Ägypten unterstützt aktiv den vor allem von Russland vorangetriebenen De-Dollarisierungsprozess. Das Land hat die geplante Bindung des Ägyptischen Pfunds an den US-Dollar aufgekündigt und versucht jetzt, auf den US-Dollar im Außenhandel weitgehend zu verzichten. Auch andere große Fossilenergieproduzenten wie Nigeria oder Algerien, wie Ägypten Mitglieder der Organisation of Islamic Cooperation (OIC), sind an einer BRICS-Mitgliedschaft interessiert und dürften bei einem zweiten Aufnahmeschritt – ebenso wie die Ölmacht Venezuela – gute Chancen haben. Auf den russischen BRICS-Vorsitz und den BRICS-Gipfel in Kasan im Oktober 2024 kommen große Aufgaben zu.

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"Neuer Anlauf zur Unabhängigkeit?", UZ vom 12. April 2024



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