Dieter Süverkrüp wird 85

Nichts kommt so unverhofft wie das Alter

Von Udo Achten

Dieter Süverkrüp, im Mai 1934 in Düsseldorf geboren, die faschistische Machtergreifung ist vollzogen, die Aufrüstung geschieht noch versteckt. Dieter spricht nicht viel darüber, wie er Krieg und Kriegsende erlebte, doch man merkt an seinen Liedern und grafischen Arbeiten, wie es sein Leben geprägt hat. 1944/45 wurde er nicht mehr als „letztes Aufgebot“ zum Volkssturm eingezogen. Als Elfjähriger waren die Trümmer in Düsseldorf sein Spielplatz. Seine Kindheits- und Jugendentwicklung wurde geprägt durch die Haltung „Nie wieder Krieg …“.

Adenauer war stolz darauf, nie eine Waffe getragen zu haben, setzte aber gegen die Mehrheit der Bevölkerung die Remilitarisierung durch. Alt-Nazis – jetzt alles nur noch Mitläufer –, wurden nur kurzzeitig, wenn überhaupt, aus öffentlichen Ämtern entfernt und ab 1952 zum Teil wieder in den öffentlichen Dienst übernommen, weil die Entnazifizierung nun als Unrecht uminterpretiert wurde. 1956 rekrutierte sich die Führungsebene der Bundeswehr aus „alten Kameraden“. 1959 waren von 14900 Bundeswehroffizieren 12360 bereits in der Reichswehr oder Wehrmacht zu Offizieren ernannt worden, 300 Offiziere entstammten der Waffen-SS.

Dazu textet Dieter S. mehreres, unter anderem:

„Gaskammerdien kommt ins Loch – für eins, zwei, drei, vier Woch.“ (Süverkrüp, „Der General“, 1961).

Gegen zunehmende Militarisierung und atomare Kriegsgefahr regt sich Widerstand –

„Wir marschieren für die Welt

Die von Waffen nichts mehr hält

Du deutsches Volk, du bist fast immer

Für falsche Ziele marschiert

Am Ende waren nur Trümmer –

Weißt du heute, wohin man dich führt?“

(Text von Hannes Stütz, interpretiert von Fasia Jansen und Dieter Süverkrüp 1983)

Die etablierten Plattenfirmen rissen sich nicht gerade um die Rechte von Liedern der linken Protestmusiker, so entstand Anfang der 60er Jahre der pläne-Verlag als eigene Produktions- und Vertriebsmöglichkeit. Lieder der Französischen Revolution, von Gerd Semmer bearbeitet – Süverkrüp mit der Gitarre. Eine der ersten Schallplatten im pläne-Verlag. Später folgt die Schallplatte mit Liedern der Revolution von 1848. Dieter entwarf für viele Platten das Cover – noch heute eine Augenweide. Nicht verwunderlich, zuerst war Dieter als politischer Sänger und Gitarrist bei den Ostermarsch-Teilnehmern bekannt. Wenige wussten, dass er an der Werkkunstschule in Düsseldorf studiert hatte und 18 Jahre lang in einer Werbeagentur seine Brötchen verdiente.

Nein, Dieter Süverkrüp ist kein „klassischer Agit-Prop-Sänger“, rhythmisches Klatschen war nicht angesagt, mehr das aufmerksame Zuhören und Nachdenken. Kritik in den Texten, die Empörung artikulierten und Mut machten. Süverkrüp als Jazzgitarrenspieler – eine unverwechselbare Note. „Fröhlich isst du Wiener Schnitzel“ und „Ladenmädchen gesucht, denn wer sieht schon seinen Brotherrn gern in langen Unterhosen – und sieht sich ihn erbosen.“ Dass man nicht alles auf die Goldwaage legen kann, ist klar. Manchmal hilft gegen eine verrückte Realität und oder die scheinbaren Zwänge nur Blödelei – könnte auch von Karl Valentin sein.

Der Antikommunismus war staatstragende Ideologie, der Antisemitismus war noch immer im Denken vieler Bundesbürger verankert. Süverkrüp, der in dieser Zeit DKP-Mitglied war, schuf dazu:

Die Erschröckliche Moritat vom Kryptokommunisten

Wenn die Sonne, bezeichnenderweise im Osten

Und rot hinter den Wolken aufgeht (…)

Und dann geht er an sein illegales Untertagwerk ran!

Hu-huhu, hu-huhu, huhu huhuhu huhu!

Berichte über den Krieg in Vietnam störten die deutsch–amerikanische Freundschaft – Informationen gab es allenfalls für Bundesbürger, die Französisch konnten, in Frankreich wurde aktuell berichtet. Aber langsam ließ sich das glorifizierte Bild der US-Friedenskämpfer in Vietnam immer weniger aufrechterhalten. In den USA und auch in europäischen Staaten formierte sich der Widerstand – doch erst mal war Aufklärung angesagt. Bei uns – kleine Spuckzettel – der Versuch, damit eine Gegenöffentlichkeit herzustellen.

Dazu Süverkrüps Lied von den 10 kleinen Kleberlein:

Ein rotes Kleberlein

Mit Pinsel und mit Leim

Das wollt‘ Plakate kleben geh‘n

Und war so sehr allein! (…)

Zehn rote Kleberlein

Die war‘n am Morgen müd‘

Und alle Leute konnten seh‘n

Wie schön die Stadt aussieht!

… Lobet den Herrn und die neuen

    Gesetze zum Notstand

Friede der Asche der Freiheit, die hiermit den Tod fand.

Demokratie

hihihihihihihi

opfern wir fröhlich dem Brotrand.

„Baggerführer Willibald“, ein Kinderlied (1970) wurde zum „Mitsingschlager“ in linken Elternhäusern und Kinderläden. Im normalen Kindergarten nicht ratsam, wie eine Kindergärtnerin in Marburg erfahren musste. Sie hatte die „Rote Rübe“ mit den Kindern gesungen. Ihr wurde gekündigt, doch vor dem Arbeitsgericht hielt die Kündigung nicht stand.

„Der Willibald kriegt Wut.

Er sagt: ‚Das ist nicht gut.‘

Er steigt auf eine Leiter:

‚Hört her, ihr Bauarbeiter!

Der Boss ist, wie ihr seht,

zu blöd.‘“ – Baggerführer Willibald (1970)

1971 konnte man im Fernsehen den Dokumentarfilm „Rote Fahnen sieht man besser“ von Schübel/Gallehr sehen. Es ging um die Betriebsstilllegung der Phrix-Werke in Krefeld. Der Film endete mit dem Hinweis, dass die Filmemacher gegen die Zensur protestierten – man hatte bei der Ausstrahlung des Films den Ton bei „Süverkrüps Protestlied“ abgedreht. Der Film wurde in der Fabrik gezeigt mit dem Protesthinweis der Autoren, dem sich auch die IG Metall angeschlossen hatte.

Klar – Dieter war gewerkschaftlich organisiert und aktiv. Auf vielen Gewerkschaftsveranstaltungen trat er auf, dabei wünschten einige, dass er klar Flagge zeigen sollte, aber nicht zu deutlich. Er zeichnete Plakate, Kunstblätter und Lieder und Theaterstücke („Wir können gleich anfangen“) zum 100-jährigen Jubiläum der Gewerkschaft Holz, arbeitete er an einem Zeichentrickfilm zur Bildungswerbung („Wissen wohin die Reise geht“). Werbung zum Nachdenken und Motivieren.

Und dann kam das hier: Ein wohlmeinender Versuch, die sozialistische Weltbewegung, beziehungsweise Teile von ihr, beziehungsweise einige ihrer einflussreichen Kader und Führungspersönlichkeiten zum Überdenken ihrer bisherigen Politik zu veranlassen

„Wir haben noch viele Revolutionen gemacht“ – Grafik von Dieter Süverkrüp

„Wir haben noch viele Revolutionen gemacht“ – Grafik von Dieter Süverkrüp

… Der Sozialismus, Genossen,

braucht eben Luft,

zum Atmen, zum Bauen.

Die größten Schlösser,

sind sie nicht stets mit Luft auch gebaut?

(…)

Platz dem besseren Sozialismus,

wie Ihr ihn Euch, seid ehrlich,

verdiente Genossen,

einst selber erträumt habt, damals …

als ich noch jung war.

Nun seid ihr fett

und krumm dazu,

und wenn ich euch spotte,

könnt ihr noch nicht einmal lachen!

der Sozialismus

ist eine so große Idee,

die Hoffnung der Menschheit,

ohne den Sozialismus

geht die Geschichte nicht weiter,

kann abgeblasen werden,

führt zu nichts mehr. (…)

Mit Prof. H.  G. Lenzen machte er 1979 eine Reise durchs Ruhrgebiet und zeichnete die ungeschminkte Realität, schreibt und zeichnet für „Die Sendung mit der Maus“, übernimmt 1993 einen Lehrauftrag an der Folkwang-Schule in Essen, wendet sich wieder seiner früheren Tätigkeit zu. Seit 2005 gab es Ausstellungen seiner Zeichnungen, Radierungen, Kupferstiche und Ölbilder in Berlin, Bremen, Düsseldorf, München, Nürnberg, Sprockhövel, Hamburg, Ratzeburg.

Glückwunsch und Dank für die langjährige Zusammenarbeit.

 

Die Grafik ist dem Buch „Süverkrüps Liederjahre“ entnommen,

das Buch und die CD’s sind im UZ-Shop erhältlich.

Die Grafiken selbst sind bei Udo Achten zu erwerben

über die Mail-Adresse Achten.Udo@online.de

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"Nichts kommt so unverhofft wie das Alter", UZ vom 31. Mai 2019



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