Kritik an Umbauplänen der Gedenkstätte Steinwache in Dortmund

Ohne Naziindustrielle

Stefan Unruh

Dortmund ist bislang eine der wenigen Städte, in denen die Rolle der Nazi-Täter aus den Eliten offiziell in der Erinnerungsarbeit thematisiert wird. Noch – denn Mitte November wurden dort Pläne bekannt, die KZ-Gedenkstätte Steinwache so umzugestalten, dass von der Erinnerung an die Rolle der Industrie zwischen 1932 und 1945 nichts mehr übrig bleibt.

Eine Gruppe an Erinnerungsarbeit interessierter Bürgerinnen und Bürgern hat sich diese Pläne nun näher angeschaut und festgestellt: Entscheidende Täter sollen künftig nicht mehr benannt werden. Der organisierte Widerstand gegen den Faschismus soll zudem weitgehend ausgeblendet werden. Die Gruppe aus Angehörigen von Opfern des Faschismus, Friedensaktivisten und Lehrern hält gerade die Frage nach strukturellen und personellen Ursachen des Faschismus für einen unverzichtbaren Bestandteil antinazistischer Aufklärungsarbeit. Sie hat deshalb einen Bürgerantrag an den Rat der Stadt Dortmund gestellt und strebt eine breite öffentliche Diskussion über die Ausrichtung der Gedenkstätte Steinwache an.

Die Antragsteller zählen nicht nur Gestapo-Beamte zu den Tätern, die im neuen Konzept der Stadt eine Rolle neben den Opfern – den Häftlingen der Steinwache zwischen 1933 und 1945 – spielen. Tatsächlich müsse sogar in stärkerem Maße als bisher an die Rolle der ökonomischen Eliten erinnert und vor der Macht ihrer Nachfolger gewarnt werden. Konkret gehe es ihnen um die Rollen, die vor allem die Industriellen Albert Vögler, Fritz Springorum und Emil Kirdorf in der faschistischen Bewegung gespielt hätten, sowie um die „Ruhrlade“, eine geheime Organisation der Thyssen, Krupp und Co., die in Dortmund am 7. Januar 1933 getagt hatte.

Das neue Konzept sieht vor, das Gedenken auf das zu beschränken, was innerhalb der Gebäude des Polizeigefängnisses an der Steinstraße und am Nordausgang des Hauptbahnhofs geschah. Die Lokalzeitung „RuhrNachrichten“ hatte berichtet, die 1981 konzipierte und seit 1992 in der Steinwache gezeigte Dauerausstellung „Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933 bis 1945“ habe „ausgedient“. Dem widerspricht der Bürgerantrag entschieden. Die historische Funktion Dortmunds für den Nazismus könne nicht nur mit Ausführungen über das dargestellt werden, was innerhalb des Gebäudes Steinwache geschah. Entscheidende Personen jener Zeit nämlich hätten die Steinwache nie betreten. Der Bürgerantrag fordert die Beibehaltung der Dauerausstellung sowie die Erarbeitung einer zusätzlichen Ausstellung über die Insassen der Steinwache während des Faschismus. Ausreichend Platz dafür stehe in leerstehenden Gebäuden in der Innenstadt zur Verfügung.

Die aktuelle Relevanz wissenschaftlich-historisch adäquater Gedenkarbeit begründet Ulrich Sander, einer der Antragsteller: „Heute geht es nicht nur um die Feststellung aus der Gedenkstätte Steinwache in Dortmund: ‚Die Schwerindustrie setzte auf Hitler‘. Es geht um die Lehren daraus. Die Rüstungsindustrie setzt heute auf die größte Kriegskoalition aus Ampel und Union. Ihre Lobbyisten sitzen im Bundestag. So der SPD-Parteivorsitzende Lars Klingbeil, der erklärte: Nach Jahrzehnten ‚der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Rolle‘, und diese Rolle bestehe darin, eine auch militärische ‚Führungsmacht‘ internationalen Maßstabs zu sein. Das ist eine rechtsextreme Position. Die Friedenspolitik Willy Brandts wird abgewickelt. Antifaschistische Kapitalismuskritik ebenfalls.“


Am Samstag, den 7. Januar 2023, um 15 Uhr findet in Dortmund (Hain­allee/Ecke Eintrachtstraße) dazu eine von der örtlichen VVN-BdA organisierte Mahnwache unter dem Motto „Faschismus kommt nicht über Nacht. Er wird vom Kapital gemacht!“ statt.


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"Ohne Naziindustrielle", UZ vom 23. Dezember 2022



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