Senegals neuer Präsident möchte Unabhängigkeit

Plan B gewinnt

Aus dem Gefängnis in den Präsidentenpalast: Bassirou Diomaye Faye, 44 Jahre alt, ist der neue Präsident Senegals. 54,28 Prozent der Wähler gaben ihm ihre Stimme. Faye gewann im ersten Wahlgang – das war vor ihm noch keinem Kandidaten der Opposition gelungen. Er ist Mitglied der sozialistischen Partei Pastef (Afrikanische Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit) von Ousmane Sonko. Die Partei war 2023 verboten worden. Faye kandidierte als Ersatz für Sonko, den das Regime von Macky Sall von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen hatte. Sonko nannte Faye seinen „Plan B“. Beide waren erst zehn Tage vor der Wahl im Rahmen einer Amnestie aus dem Gefängnis entlassen worden. Sonko war neun Monate inhaftiert gewesen, Faye elf.

„Ousmane ist Diomaye“ – mit diesem Slogan zog Faye in den kurzen Wahlkampf. Sein – und Sonkos – Programm für Senegal hatte der studierte Jurist und Steuerinspektor in 74 Thesen formuliert.

Ein zentraler Punkt darin sind demokratische Reformen. Faye möchte die Macht des Präsidenten begrenzen. Wahlämter sollen nicht mehr kumuliert werden dürfen. Die Nationale Wahlkommission soll unabhängig werden, damit die Regierung keinen Einfluss mehr auf den Wahlprozess hat. Amtsvorgänger Macky Sall hatte mehrere Kandidaten von der Präsidentschaftswahl ausschließen lassen und versucht, die Wahl zu verschieben. Fayes Demokratisierungsprogramm kann als direkte Antwort darauf gelesen werden. Den Verfassungsrat, der Sall dabei geholfen hatte, möchte Faye durch ein Verfassungsgericht ersetzen.

Von Fayes geplanter Wirtschaftspolitik dürfte in erster Linie die nationale Bourgeoisie Senegals profitieren. Mit dem „Plan zur industriellen Beschleunigung Senegals“ will Faye in den nächsten fünf Jahren die Indus­trialisierung des Landes vorantreiben. Erzeugnisse dieses Sektors sollen verstärkt innerhalb Senegals weiterverarbeitet werden.

Mehr als drei Viertel der Beschäftigten Senegals arbeiten in der Landwirtschaft. Bassirou Faye will vor allem Bauernfamilien stärken. Ihr Modell der Produktion steht im Mittelpunkt seiner versprochenen Agrarreform. Ihre Bodenrechte sollen geschützt werden und Frauen dazu künftig denselben Zugang haben wie ihre Ehemänner oder Söhne. Zudem will Faye landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften einführen, die sich einen Maschinenpark teilen. Von der Fischerei, dem wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes, sollen die existenziell bedrohten einheimischen Kleinfischer wieder leben können. Die fischreichen Küstengewässer sollen überwiegend für sie reserviert werden.

Faye hatte verprochen, eine ganze Reihe internationaler Abkommen und Verträge auf den Prüfstand zu stellen: Sämtliche Fischereiabkommen Senegals etwa. Die Militärabkommen mit Frankreich, auf deren Grundlage die ehemalige Kolonialmacht bis heute Soldaten in Senegal stationiert. Die Verträge mit ausländischen Minenbetreibern sollen neu verhandelt werden, damit die Menschen in Senegal endlich am Rohstoffreichtum ihrer Heimat partizipieren.

Babou Cheikh Anta, Germanist an der Universität Cheikh Anta Diop in Dakar und Pastef-Mitglied, nennt Fayes Programm im Gespräch mit UZ eines der „Unabhängigkeit auf allen Ebenen“: landwirtschaftlich, politisch, militärisch, kulturell – Grundschüler sollen künftig in ihren Muttersprachen unterrichtet werden statt auf Französisch – und vor allem wirtschaftlich. Die Kolonialwährung CFA-Franc will Faye reformieren oder durch eine eigene Währung ersetzen.

Dieses Programm ähnelt denen vieler Regierungen direkt nach der formellen Unabhängigkeit in den 1960er Jahren, die sich nationale Entwicklung und Souveränität auf die Fahnen geschrieben hatten. Dass man es jetzt wählen konnte, haben sich die Senegalesen selber erkämpft: Fast alle Parteien und Gewerkschaften und viele zivilgesellschaftliche Organisationen hatten gegen Macky Salls institutionellen Putsch mobilisiert. Die Menschen gingen so zahlreich auf die Straße, dass der Verfassungsrat schließlich einlenkte und die Wahlverschiebung kippte.

Nutzen Faye und Sonko diesen Schwung, kann Senegal den Beispielen Malis, Burkina Fasos und Nigers folgen und sich dem französischen Neokolonialismus entziehen. Frankreich würde sich dann in Westafrika nur noch auf Benin und Côte d’Ivoire stützen. Doch auch in diesen Ländern, davon sind Babou Cheikh Anta und viele andere Westafrikaner überzeugt, weht bald ein anderer Wind.

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"Plan B gewinnt", UZ vom 5. April 2024



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