Die „Innere Sicherheit“ der Ampel

Präventiv nichts Neues

Anti-Repressions-Kolumne

Wer sich das Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP mal angetan hat, ist wohl nicht viel schlauer als vorher. Das Papier ist voller vermeintlich positiver Begriffe und soll wohl mit möglichst vielen Euphemismen eine Art „Aufbruchsstimmung“ erzeugen. So richtig gelingen will das bei vielen nicht, die sich derzeit mit der sozialen Realität auseinandersetzen. So klingt der Begriff des „aktivierenden Sozialstaats“ eher wie eine Drohung, gerichtet an die Menschen, die unter dem Hartz-IV-Sanktionsregime leiden, als dass wirklich eine soziale Verbesserung bevorstehe.

380503 henning - Präventiv nichts Neues - Innere Sicherheit, Regierungsbildung - Politik

Wer versucht, etwas zu den Vorhaben im Bereich der Inneren Sicherheit herauszufinden, muss sich mit schwammigen Formulierungen begnügen. Unter Punkt 8 von 10, der den Titel „Freiheit und Sicherheit, Gleichstellung und Vielfalt in der modernen Demokratie“ trägt, geht es erst mal um „Vielfalt als Chance“ und „gerechte Teilhabe“. Was genau das heißen soll, erklärt sich im Absatz etwas weiter unten. Dort heißt es, die Ampel-Parteien wollten ein „modernes Staatsangehörigkeitsrecht“ schaffen, in dem diejenigen, die gut in Deutschland integriert seien und für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen könnten, auch schneller einen rechtssicheren Aufenthaltsstatus erhalten können. Können, wohlgemerkt, jetzt mal nicht übertreiben oder verbindlich werden. Wer gut integriert ist und wer nicht, entscheiden am Ende immer noch die Ausländerbehörden, und das in den meisten Fällen wohl kaum zum Vorteil der Betroffenen.

Außerdem wollen die Ampel-Parteien „unser sicheres Land noch sicherer machen“. Denn alle Menschen sollen sich, egal ob auf der Straße, zu Hause oder im Netz, immer sicher fühlen. Und was brauchen wir für eine Sicherheit? Natürlich eine präventive. Und wer sorgt dafür nach der Vorstellung der drei Parteien? Natürlich motivierte, gut ausgebildete und ausgestattete Polizistinnen und Polizisten. Hier findet sich dann das erste Mal ein Hinweis auf eine weitere Verschärfung der Gesetzeslage oder zumindest die Fortführung des bisherigen repressiven Kurses der Großen Koalition. In den Bundesländern gibt es ja seit 2018 durch die Bank neue Polizeiaufgabengesetze, an die lückenlos angeknüpft werden kann. NRW droht zudem ein eigenes, sehr restriktives Versammlungsgesetz, das schon im Dezember verabschiedet werden könnte.

Die Dreierkoalition will außerdem eine „gesamtheitliche Betrachtung der Eingriffsbefugnisse des Staates vornehmen und eine Generalrevision der Sicherheitsarchitektur durchführen“. Auch das klingt nicht sehr vertrauenerweckend, wenn bedacht wird, welche Instrumente die sogenannte Sicherheitsarchitektur schon jetzt hat. Bekanntlich werden Repressionsbehörden eher zusätzliche Repressionsinstrumente ermöglicht und selten nachträglich wieder abgenommen. Das Gerede von Rechtsstaatlichkeit und Verhältnismäßigkeit als Maßstab ist dabei durchschaubare Kosmetik.

Am Ende des Abschnitts wird natürlich auch gesagt, gegen wen vorgegangen werden soll. In gewohnter Manier soll es gegen Neonazis, Islamismus und im gleichen Atemzug angeblichen Linksextremismus gehen, was immer das sein soll. Täglich grüßt das Hufeisen, bei dieser wie jeder anderen Koalition. Linke sollten sich darauf einstellen, dass alles so bleibt wie es ist und eher nicht besser wird. Also alles wie immer.

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"Präventiv nichts Neues", UZ vom 19. November 2021



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