Profitlogik brechen!

Rainer Perschewski über die neuen Milliarden für die Bahn

Letzte Woche schien es, als stünden der Bahn rosige Zeiten bevor, denn die Bundesregierung gab bekannt, wie die neue Finanzierungsvereinbarung für die Schieneninfrastruktur aussehen soll: 86 Milliarden Euro soll die Deutsche Bahn AG in den nächsten zehn Jahren für die Infrastruktur erhalten. Davon kommen aus dem Bundeshaushalt 6,2 Milliarden und 2,4 Milliarden beträgt der Eigenanteil der Deutschen Bahn.

Das klingt gewaltig, ist es aber nicht! Der Investitionsstau beträgt nach gutachterlich bestätigten Berechnungen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) allein rund 60 Milliarden Euro. So machte der EVG-Bundesvorsitzende, Alexander Kirchner, deutlich, dass mit diesem Geld die Infrastruktur in zehn Jahren im Durchschnitt noch älter sein wird als heute. Sein Fazit: „Die Mittel reichen nicht aus, um die klimapolitisch notwendigen Verlagerungsziele im Personen- und Güterverkehr zu ermöglichen.“ Heute bildet Deutschland mit den Investitionen pro Kopf der Bevölkerung in Europa fast das Schlusslicht. Sollte die Bundesregierung es ernst meinen und mit dem System Schiene einen Beitrag für die Klimaziele durch die Reduzierung des CO2-Ausstoßes betragen wollen, müssen die Investitionen noch höher ausfallen. Die EVG hat hierzu ein sehr umfangreiches Programm vorgelegt.

Im Grunde ist es einfach: Um mehr Menschen auf der Schiene zu transportieren, reichen mehr Züge nicht so einfach aus, es braucht nicht nur gut erhaltene Schienenwege, sondern auch mehr und neue Strecken. Im Zuge der Mangelverwaltung seit 1994 sind nicht einfach nur tausende Kilometer Gleise und zahlreiche Bahnhöfe stillgelegt worden. Es sind viele Regionen von der Schienenanbindung abgekoppelt worden, es sind auch Ausweichgleise verschwunden und Personal reduziert worden. Mit dem Dogma des Wettbewerbes auf der Schiene und der Profitlogik sind die Leidtragenden dabei die Beschäftigten bei den inzwischen hunderten von Bahnunternehmen, durch das staatlich organisierte Lohndumping. Jedes Unternehmen der Branche muss auch eine entsprechende Rendite erwirtschaften, das bringen die Marktgesetze mit sich. Dieses System kann nur durchbrochen werden, wenn die Bahnen in Deutschland wieder einheitlich als öffentlich-rechtliche Unternehmen geführt und als Teil der Daseinsvorsorge gesehen werden. Damit wäre die privatwirtschaftliche Gewinnorientierung raus. Mit demokratischer Kontrolle kann ein wirtschaftlich nachhaltiger Mitteleinsatz gewährleistet werden.

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"Profitlogik brechen!", UZ vom 2. August 2019



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