Schönes privates Geld

Lucas Zeise • Mit Facebooks neuer Währung zur Finanzkontrolle des Globus

Lucas Zeise

Lucas Zeise

Die Finanzminister der G7-Staaten (USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Britannien, Italien und Kanada) gaben sich energisch: Erst müssen alle rechtlichen und regulatorischen Fragen geklärt sein, bevor „Libra“ genutzt werden darf. Libra ist eine Kunstwährung, die von einem Konsortium unter Führung von Mark Zuckerbergs Firma Facebook und einer Reihe anderer Unternehmen, ganz überwiegend aus den USA, im Juni dieses Jahres angekündigt worden ist. Mit dieser Währung sollen künftig Milliarden Menschen, die über wenig Dollar und nicht einmal ein Bankkonto verfügen, über ihr smartes Handy bezahlen, über das sie natürlich verfügen. Der Zahlungsvorgang wird dann von dem Facebook-Konsortium abgewickelt. Dazu wird die „Blockchain“-Technik verwendet, die sich ja schon bei der seit 2009 bestehenden Spekulationswährung, dem „Bitcoin“, so bewährt hat. Nur, anders als die Bitcoins, deren Preis in Dollar oder Euro gerechnet wild schwankt, soll die Libra wertbeständig sein, weil für jede ausgegebene Libra in genau festgelegten Verhältnissen Dollar, Euro, Pfund, Yen und Schweizer Franken gekauft werden.

Die neue Währung dient mehreren Zwecken: Erstens geht es um den Gewinn. Jeder Kunde, der in Libra zahlt, muss diese erst für Dollar oder heimische Währung kaufen. Von diesen Libra-Konten bei der Libra-Facebook-Quasibank erfolgen die Zahlungen. Was als Dauerrestbestand auf den Konten bleibt, ist Reingewinn für Zuckerberg und Co. Zweitens geht es darum, das fast weltweit etablierte „Soziale Netzwerk“ Facebook unentbehrlich zu machen. Auf ein Zahlungssystem einschließlich Währung können Bürger viel weniger verzichten als auf Nachrichtenübermittlung. Drittens zielt das universelle Zahlungssystem samt Währung auf die Kontrolle der Ökonomien der Länder, in denen es genutzt wird. Umgekehrt verlieren Staaten, deren Bürger ihre Zahlungen über das Libra-System abwickeln, ihre nationale Währung, jegliche Kontrolle über den Außenhandel und den Kapitalverkehr sowie die Hoheit über ihre Steuereinnahmen.

Man kann argumentieren, dass die Länder, auf die Libra in erster Linie zielt, ohnehin keine wirksame Eigenkontrolle über ihren Binnenmarkt haben und eine eigene Währungshoheit aufweisen. Das gilt beispielsweise für die afrikanischen Länder der ehemaligen Franc-Zone, deren Währung heute an den Euro gekoppelt ist und deren Wirtschafts- und Währungspolitik in Paris bestimmt wird. Und Lateinamerika, wo der US-Dollar vielfach die halboffizielle oder wie in Ecuador die offizielle Währung ist, würde die Libra die Stellung des US-Finanzkapitals lediglich festigen. In Ländern wie Indien, Pakistan oder Indonesien wäre Libra aber ein gewichtiger weiterer Schritt in die ökonomische Abhängigkeit vom US-Finanzkapital.

Die Stellungnahme der G7-Finanzminister vor einer Woche, dass Libra oder überhaupt private Währungen gesetzlich geregelt und beaufsichtigt werden müssten, ist eine bloße Selbstverständlichkeit. Das gilt schließlich für jeden Gewerbebetrieb. Allerdings hat das zaghafte Murren einiger Politiker über den miesen Leumund von Facebook auch in den USA dazu geführt, dass einige wichtige Partner in Zuckerbergs Konsortium abgesprungen sind, so zum Beispiel die Kreditkartenmonopolisten Mastercard und Visa und der Internet-Zahlungsdienstleister Paypal. Vermutlich fürchten sie, dass ihr laufendes Geschäft durch die Verbindung mit Libra Schaden nehmen könnte. Es wäre aber naiv zu glauben, das Projekt würde deshalb verhindert oder gar fallengelassen. Es eignet sich allzu gut, um die finanzielle Knebelung der Entwicklungs- und Schwellenländer durch die finanzkapitalistischen Zentren zu intensivieren und sie vom Einfluss Chinas fernzuhalten. Schließlich passen Währungen privater Konzerne auch glänzend zum Konzept des schwachen Staates, wie ihn der Stammvater des Neoliberalismus, Friedrich August von Hayek, gefordert hat. Der Franzose Benoît Cœuré, Mitglied im engsten Führungsgremium der EZB und Leiter einer Arbeitsgruppe, die Stellungnahme zu Privatwährungen wie Libra im Auftrag der G-7 ausgearbeitet hat, stellte schon fest, weder die EU-Kommission noch die EZB würden solche Privatwährungen verbieten.

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Über den Autor

Lucas Zeise (Jahrgang 1944) ist Finanzjournalist und ehemaliger Chefredakteur der UZ. Er arbeitete unter anderem für das japanische Wirtschaftsministerium, die Frankfurter „Börsen-Zeitung“ und die „Financial Times Deutschland“. Da er nicht offen als Kommunist auftreten konnte, schrieb er für die UZ und die Marxistischen Blättern lange unter den Pseudonymen Margit Antesberger und Manfred Szameitat.

2008 veröffentlichte er mit „Ende der Party“ eine kompakte Beschreibung der fortwährenden Krise. Sein aktuelles Buch „Finanzkapital“ ist in der Reihe Basiswissen 2019 bei PapyRossa erschienen.

Zeise veröffentlicht in der UZ monatlich eine Kolumne mit dem Schwerpunkt Wirtschaftspolitik.

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"Schönes privates Geld", UZ vom 25. Oktober 2019



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