Corona-Bildungspolitik zermürbt Schüler und Lehrer

Schulstress ohne Ende

Von Anna Steden

Noch wird diskutiert, in welcher Form der Schulunterricht nach den Weihnachtsferien stattfinden soll. Klar ist aber schon jetzt, dass die unverantwortliche Bildungspolitik in der Corona-Pandemie zu Lasten von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften geht.

Bis eine Woche vor den offiziellen Weihnachtsferien wurde der Präsenzunterricht trotz konstant hoher Neuinfektionszahlen meist unverändert fortgesetzt. Dabei war jedem klar, dass die steigenden Ansteckungen im „Lockdown light“ auch an offen gehaltenen Schulen, Kitas und Betrieben lagen. Vor allem NRWs Bildungs- und Schulministerin Yvonne Gebauer hatte sich bis zum Schluss geweigert, die Präsenzpflicht auszusetzen. Erst nach erhöhtem Druck wurden die Schulen schließlich für eine Woche geschlossen und es gab verpflichtenden Online-Unterricht für alle Schülerinnen und Schüler. Diese Entscheidung kam viel zu spät.

Der reine Online-Unterricht ist keine perfekte Lösung. Viele Lehrkräfte sind noch unsicher bei der Nutzung von Home-Schooling-Programmen, außerdem fehlt es bei ihnen wie bei vielen Schülern an der technischen Ausstattung zu Hause. Trotzdem ist es verantwortungslos, den Präsenzunterricht so fortzuführen wie es in der zweiten Corona-Welle der Fall war. Bis zuletzt waren die Hygienemaßnahmen in den Schulen meist willkürlich und unzureichend. Einerseits wurde ständig gelüftet und es war kalt in den Klassenräumen, Freistunden mussten draußen verbracht werden, Ausflüge und Klassenfahrten fielen aus. Andererseits hockten noch immer 25 Schülerinnen und Schüler in wechselnden Lerngruppen aufeinander und in den vollen Schulbussen war an Abstand nicht zu denken.

Ebensowenig wie an Freizeitgestaltung: Sportvereine durften nicht mehr trainieren, Orchester- und Musikproben fanden zum Großteil nicht mehr statt. Für viele Jugendliche bestand das Leben im zweiten Schuljahresquartal aus dem Widerspruch, Unterricht in vollen Klassenzimmern zu absolvieren und zu Hause isoliert abzuhängen.

Der Schulstress nahm zu. Der versäumte Stoff aus dem Frühjahr musste nachgeholt werden und in der Klausurenphase bestand kaum noch die Möglichkeit für Ausgleichsaktivitäten, um den Stress abzubauen. Auf die neuen Sorgen und Unsicherheiten der Jugendlichen in Pandemiezeiten wurde in der Schule nicht eingegangen.

Dass sich das zurückliegende Jahr stark auf die Psyche von Schülerinnen und Schülern ausgewirkt hat, wird mittlerweile auch durch Studien untermauert. Im Rahmen der COPSY-Studie (Corona und Psyche) zur psychischen Gesundheit und Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen während der Covid-19-Pandemie wurden im März über 1.000 Kinder und Jugendliche befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich schon der erste Lockdown sehr belastend auf ihre Gesundheit auswirkte. Das Risiko für psychische Auswirkungen, zum Beispiel Hyperaktivität und emotionale Probleme, stieg von 18 auf 31 Prozent. Auch psychosomatische Beschwerden traten vermehrt auf. Zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen empfanden die Schule als belastender als vor der Pandemie. In der Corona-Pandemie geht die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander. Auch das betrifft Kinder in besonderem Maße, denn Kinder aus finanziell schwachen Familien sind häufig einer stärkeren psychischen Belastung ausgesetzt als Kinder aus wohlhabendem Elternhaus.

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"Schulstress ohne Ende", UZ vom 8. Januar 2021



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