Betriebe halten sich nicht einmal an das völlig unzureichende Arbeitsrecht

Schwarzarbeit boomt

Von Werner Sarbok

Am 7. Juni hat das Bundeskabinett seinen „Dreizehnten Bericht über die Auswirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung“ beschlossen. Berichtet wird darin über nicht bei den Sozialversicherungen angemeldete Arbeit und die Umgehung der Zahlung des Mindestlohns. Über 107 000 abgeschlossene Ermittlungsverfahren der zuständigen „Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls (FKS)“ erbrachten Geldstrafen in Höhe von über 82 Mio. Euro. Die Schadensumme wird mit 875 Mio. Euro angegeben, darunter 62 Mio. Euro reiner Steuerschaden.

Der Bericht stellt fest, dass „nahezu alle, insbesondere lohnintensive Wirtschaftszweige von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung“ betroffen sind. Als Branchen werden das Bau-, das Gaststätten- und Beherbergungs-, das Personenbeförderungs-, das Speditions-, Transport- und Logistik-, das Gebäudereinigungsgewerbe sowie die Fleischwirtschaft genannt. Zwar hat die Zahl der Fälle in den vergangenen Jahren permanent abgenommen, das Volumen ist jedoch kontinuierlich gestiegen.

Eine besondere Rolle kommt der Scheinselbstständigkeit zu. Die betroffenen Betriebe setzen erwerbstätige Menschen als formell selbstständige Unternehmer (Auftragnehmer) ein, obwohl sie tatsächlich im Sinne des § 7 Absatz 1 SGB IV abhängig beschäftigt sind. Die Unternehmer umgehen damit die Sozialversicherungspflicht und vermeiden damit die Abführung der Sozialabgaben, ebenso wie die Zahlung von Mindestlöhnen oder die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, die bei Selbstständigen nicht zu beachten sind.

In dem Bericht wird auf die Internationalisierung der Scheinselbstständigkeit hingewiesen: „Wie bereits in den vergangenen Berichtszeiträumen geschildert, treten insbesondere seit dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten (MOEL) zur Europäischen Union verstärkt scheinselbstständige Personen aus diesen Staaten in diversen Gewerbezweigen in Erscheinung. Die Einführung der Arbeitnehmerfreizügigkeit hat zu keinem spürbaren Rückgang des Phänomens geführt.“

Als eine andere Methode des Rechtsbruchs wird „Lohnsplitting“ benannt. Bei diesem Modell zur „Reduzierung von Lohnnebenkosten“ besteht tatsächlich ein Beschäftigungsverhältnis eines Arbeitnehmers. In dem Bericht heißt es: „Die Versicherungspflicht für das Beschäftigungsverhältnis wird seitens des Arbeitgebers dadurch verschleiert, dass er stattdessen mehrere fiktive beitragsfreie geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zur Sozialversicherung anmeldet.“

Weiter wird dazu ausgeführt: „Darüber hinaus hat die FKS Fälle von Lohnsplitting im Rahmen von bestimmten steuer- und sozialabgabenoptimierten Entlohnungsmodellen festgestellt. Hierbei werden zu fest vereinbarten (niedrigen) Grundlöhnen steuer- und sozialversicherungsfreie Entgeltbestandteile, wie z. B. Auslösung, Spesen, Fahrtkostenzuschüsse, Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge, in den Endlohn eingerechnet. Die Einrechnung geschieht zum Teil mittels EDV-Unterstützung, welche die maximal möglichen Zuschläge ohne Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitsumstände berechnet. Steuerfrei und nicht sozialversicherungsrelevant sind diese Zuschläge jedoch nur, wenn sie zweckgemäß, also z. B. für zu unüblichen Zeiten geleistete Arbeit, gezahlt werden.“

Vielfach werden für im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Osteuropa die Mindestarbeitsbedingungen nicht eingehalten, indem sie von den Arbeit“gebern“ genötigt werden, „einvernehmlich“ einen unterhalb des Mindestlohns liegenden Lohn zu vereinbaren. Häufig geben diese Beschäftigten aus Sorge um den Arbeitsplatz nicht den tatsächlich gezahlten Lohn an, sondern behaupten, den Mindestlohn erhalten zu haben

Der Katalog „zur Vermeidung der Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns“ insbesondere bei ausländischen Arbeitskräften ist ideenreich: Ungerechtfertigte Anrechnung von Kost und Logis auf den Mindestlohn, Verrechnung der Arbeitsstunden mit Konsumeinkäufen, Sachbezügen und Gutscheinen, Pauschalvergütung ohne Berücksichtigung des Mindestlohns und der Arbeitszeit, ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Ausnahmetatbeständen, z. B. Praktikantenregelung, – unrichtige Führung von Arbeitszeitkonten, Ausweisen von Arbeitszeit als Pausen, Nichtvergütung von Rüstzeiten sowie Vor- und Nacharbeiten, Nichtvergütung von Leerfahrten im Personentransportgewerbe sowie die Verwendung von Abdeck- oder Scheinrechnungen.

Ein strafrechtlicher Aspekt: In den Jahren 2013 bis 2016 verdreifachte sich der Steuerschaden von etwa 22 auf 62 Mio. Euro. Im gleichen Zeitraum verringerte sich die Zahl der überprüften Betriebe“ von 64000 auf gut 40000. Obwohl die Anzahl der abgeschlossene Ermittlungsverfahren gegen Arbeit“geber“ wegen Straftaten von 95000 auf 107000 stieg, sank die Summe der erwirkten Freiheitsstrafen von 1 900 auf gut 1 700 Jahre.

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"Schwarzarbeit boomt", UZ vom 30. Juni 2017



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