Heckler & Koch ist nur ein kleiner Fisch

Skandale und Geschäfte

Von UZ

„Ein Gewehr, das danebenschießt, sollte der Traum eines jeden Pazifisten sein. Eigentlich“, so Jan van Aken, Bundestagsabgeordneter der Partei „Die Linke“, am 1. Juni auf „Baden-Online“. Aufmerksam machte er an diesem Beispiel aber vor allem auf die schwer zu durchschauenden Verflechtungen zwischen Rüstungsindustrie und Politik. „Heckler & Koch ist ein vergleichsweise kleiner Fisch beim Geschäft mit Waffenverkäufen. Es wäre naiv zu glauben, dass die Großen der Branche nicht noch weitaus besser im Ministerium vernetzt sind.

Schon vor 50 Jahren warnte der damalige US-Präsident Eisenhower vor der Gefahr, die der ‚militärisch-industrielle Komplex‘ für die Demokratie darstellt.“

Und tatsächlich: Auch die hiesige Rüstungsindustrie verdient nicht nur durch Waffenexporte. Das Geschäft mit dem Tod lohnt sich auch hierzulande: Heute vor allem durch die Auf- und Ausrüstung für weltweite Einsätze der Bundeswehr.

Die Liste der Pannen und Skandale der Bundeswehr ist jedoch in den letzten Jahren wieder länger geworden. So stiegen die Kosten z. B. beim Eurofighter und sie steigen weiter beim Transportflugzeug A400M. Kampfdrohnen sollen angeschafft werden und weitere neue Rüstungsprojekte sind geplant.

 

Die Liste der Pannen und Skandale der Bundeswehr reicht bis in ihre Anfänge zurück.

Zur Erinnerung: Die Bundesrepublik Deutschland trat am 9. Mai 1955 der NATO bei. Am 6. Juni 1955 wurde die Dienststelle Blank in das Bundesministerium für Verteidigung umgewandelt und der Sicherheitsbeauftragte Theodor Blank (CDU) wurde zum ersten Bundesverteidigungsminister ernannt.

Am 10. Oktober 1955 ernannte Bundespräsident Theodor Heuss die ersten Soldaten der neuen Streitkräfte und am 12. November 1955 wurden die ersten 101 Freiwilligen der Bundeswehr vom Bundesminister für Verteidigung, Theodor Blank, vereidigt.

Jene Kräfte, die sich gegen die Remilitarisierung des Landes wandten, waren zu diesem Zeitpunkt bereits verboten wie die FDJ bzw. wurden verfolgt. Das Verbotsverfahren gegen die KPD wurde forciert.

Bereits am 30. Juni 1955 wurde in Bonn ein Abkommen über die gegenseitige Verteidigungshilfe zwischen den USA und der Bundesrepublik unterzeichnet. In diesem Vertrag sicherten die USA den neu aufzustellenden Streitkräften der Bundesrepublik Deutschland umfangreiche Rüstungslieferungen zu. Am 13. Juli 1955 vereinbarten US-Botschafter Conant und Bundeskanzler Adenauer die Überlassung von amerikanischen halbautomatischen Sturmgewehren, Panzern, Artilleriegeschützen, Feldhaubitzen und Kampfflugzeugen an die Bundesrepublik. Für den Aufbau der Bundeswehr wurde von den USA im Rahmen der sogenannten „Nash-Liste“ „Wehrmaterial“ im Wert von rund 3,8 Mrd. DM kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Doch zum Aufbau der Bundeswehr brauchte man weitere Waffen. Gekauft wurden zum Beispiel Schützenpanzer aus der Schweiz und Frankreich (HS 30 und Schützenpanzer Kurz), Schiffe und Flugzeuge aus Großbritannien, Handfeuerwaffen aus Belgien, Mörser aus Israel und Munition aus der Türkei. Von bundesdeutschen Unternehmen wurden damals nur einzelne Waffensysteme in Lizenz nachgebaut. Das änderte sich einige Jahre später …

Beim ersten größeren Ankauf von Waffen für die neue Armee kam es zu einem ersten größeren Rüstungsskandal. Beim Kauf von knapp 4 500 Schützenpanzern des Typs HS 30 wurden 1957 mehrere Millionen D-Mark als Bestechung an mehrere an der Beschaffung beteiligte Personen, darunter an Ministerialbeamte, gezahlt. Verbunden damit war eine illegale Parteifinanzierung für die CDU. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags konnte die natürlich weder bestätigen noch widerlegen. Bereits unmittelbar nach der Auslieferung der HS 30 fielen hohe Kosten für Reparaturen und Umrüstungen an, die vor allem Getriebe, Kühlsysteme und Ketten betrafen.

Unter den Empfängern von Schmier­geldzahlungen war unter anderem der persönliche Referent des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß, Werner Repenning, der 2,3 Millionen DM erhalten haben soll. Der CDU-Politiker Otto Lenz erhielt 300 000 DM, die gleiche Summe der Arzt und mutmaßliche Waffenhändler Otto Praun. Doch ein Zeuge nach dem anderen, ein Beteiligter nach dem anderen wurde ermordet oder starb …

Hier wie beim Starfighter-Skandal war Franz Josef Strauß (CSU) beteiligt, der 1956 das Bonner Verteidigungsministerium übernahm.

Der Starfighter, der Jäger F-104 der amerikanischen Lockheed-Werke, wurde als Ersatz für die bisher in den Diensten der Luftwaffe stehenden Jets vom Typ F-86 Sabre angeschafft.

700 Jäger wurden sofort bestellt, später noch einmal 216, damit hatte die Bundeswehr laut Verteidigungsministerium „eine der bestausgerüsteten Luftwaffen der Welt“. Und der Lieferant hatte mit mindestens 4 Milliarden Mark einen fetten Rüstungsauftrag in die Bücher bekommen. Angeblich unter kräftigem Schmiergeldeinsatz, wie bald schon die Runde machte – jedoch im Fall Strauß nie bewiesen werden konnte. Bereits 1961 häuften sich die Abstürze. Beim Trainingsflug zur Premierenfeier bohrten sich gleich vier F-104 auf einmal in den Boden – alle Piloten starben. Es war der „Auftakt einer beispiellosen Unfallserie“ (vgl. Spiegel, 15.3.2009). Die letzte F-104 von insgesamt 916 Masschinen der Bundeswehr wurde erst 1991 außer Dienst genommen: 292 Flugzeuge stürzten ab, knapp jeder dritte Starfighter bohrte sich in den Boden. 116 Piloten starben.

Zu den größten politischen Skandalen gehörten die Pläne von Strauß zur atomaren Bewaffnung der Bundeswehr. Bereits 1957 legte er Pläne vor. Im Rahmen der Pariser Verträge hatte sich Deutschland bereits 1954 verpflichtet, auf die Produktion, nicht aber den Einsatz von Atomwaffen zu verzichten. Adenauer und Strauß trieben eine militärische Nutzung von Atomwaffen durch die Bundeswehr energisch voran. Im April 1957 kam es deswegen zu einer Kontroverse mit namhaften Atomphysikern um deren kritisches Göttinger Manifest. Am 25. März 1958 wurde – trotz zunehmender Proteste im Land und auch (noch) den Widerstand der SPD – die atomare Ausrüstung der Bundeswehr beschlossen, die damit im Rahmen der Nuklearen Teilhabe der NATO im Kriegsfall hätte Nuklearwaffen einsetzen können. Versucht wurde in diesem Zusammenhang, auch das Produktionsverbot zu umgehen.

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"Skandale und Geschäfte", UZ vom 19. Juni 2015



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